Arbeit als Privileg

Seit einigen Wochen mache ich mir immer wieder Gedanken über Arbeit und darüber, wie sich meine Sicht aufs Arbeiten von der meiner jungen Kollegen unterscheidet.

Arbeiten zu dürfen oder eine Arbeitsstelle zu haben, war für mich immer ein Privileg. Ich habe immer darum kämpfen und dabei viele Niederlagen einstecken müssen. Ich gehöre zur »Generation Praktikum«, der Generation für die ein Job nie nur ein Job war, sondern Sicherheit und Unabhängigkeit bedeutete, etwas das in den Neunziger und Zweitausendern auf dem Arbeitsmarkt sehr selten war. Mit entsprechendem Enthusiasmus hat man sich seinen Aufgaben hingegeben und fast alles getan um den Job behalten zu dürfen.

Nach der Wende Anfang der Neunziger brach im Osten der Arbeitsmarkt komplett zusammen und damit meine ich wirklich komplett. Er war einfach nicht mehr existent und das schon wenige Wochen nach der Währungsunion. Der Betrieb in dem meine Eltern beide arbeiteten wurde »abgewickelt« wie es so schön hieß. Zuerst traf es meine Mutter, wenige Wochen später, nachdem jede Maschine verschrottet und die Gebäude leergeräumt waren auch meinen Vater. Beide waren damals in den Fünfzigern, also zu jung für die Rente und zu alt zum arbeiten. Mein Vater ging trotz körperlicher Beschwerden für kurze Zeit wieder auf den Bau (im neu gegründeten Handwerksbetrieb seines ehemaligen Azubis) meine Mutter machte eine vom Arbeitsamt bezahlte Umschulung zur EDV-Fachkraft. Ich ging aufs Gymnasium und bekam damit noch zwei Jahre Gnadenfrist.

Zwei Jahre später sah die Situation aber noch viel düsterer aus. Im ganzen Landkreis gab es kaum Stellen geschweige denn genügend Ausbildungsplätze. Ich war gezwungen 100 Kilometer weit weg nach Bayern zu gehen. Den Ausbildungsplatz bekam ich auch nur, weil meine Eltern jemanden kannten, der jemanden kannte …

Meine Mutter blieb trotz Umschulung bis zu ihrer Rente arbeitslos, mein Vater hatte das Glück, dass man ihm nach kurzer Arbeitslosigkeit mit 57 die Frühverrentung anbot. Ich hätte nach meiner Lehre zwar in dem Betrieb bleiben können, aber wegen betrieblicher Veränderungen (die Produktion wurde teilweise nach Tschechien ausgelagert) zu deutlich schlechteren Konditionen, als meine Kollegen, die in den Jahren zuvor ausgelernt hatten. Da ich ohnehin studieren wollte, war mir das egal.

Während des Studiums half ich meiner Mutter beim Regale einräumen im Supermarkt. Sie hatte sich den Minijob selbst gesucht, weil sie weder Geld vom Arbeitsamt noch Jobangebote bekam. Dafür bekam ich den vollen Bafög-Satz.

Nach dem Studium hatte ich wieder Mühe eine Arbeitsstelle zu finden und das, obwohl ich inzwischen einen Ingenieurtitel besaß. Hatte man uns im Studium noch versprochen, dass wir gesucht würden und uns die Jobs raussuchen könnten, spürte ich davon nicht viel. Vielleicht lag es daran, dass ich eine Frau war. Die Begründung der Ablehnung meiner Bewerbung waren immer dieselben, überqualifiziert, zu wenig Berufserfahrung, Anstellung nur als Freier Mitarbeiter bzw. die ersten Monate ohne Bezahlung, falsches Geschlecht, falsche Religion oder an der falschen Uni studiert. Mit Mühe und Not und nach unzähligen Bewerbungen bekam ich einen Praktikumsplatz. Sechs Monate später endlich einen Vertrag über eine Festanstellung und zwei Monate später nach dem am 11.9.2001 die Welt erschüttert worden war und die Medienkrise rund um Kirch und Co in München einleitete, erhielt ich die betriebsbedingte Kündigung.

Die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle begann von vorn und der Mitarbeiter beim Arbeitsamt machte mir wenig Hoffnung. Dabei war Arbeit da. Die Firma für die ich gearbeitet hatte, bot mir an dort stundenweise während meiner Arbeitslosigkeit zu arbeiten. Ich verdiente umgerechnet 5 Euro am Tag und hatte eine 40 Stundenwoche. Dafür versprachen man mir am Ende des Jahres eine Festanstellung, doch dann entschied man sich für einen männlichen Diplomanden statt für mich.

Ich wurde vor die Wahl gestellt: arbeitslos oder selbständig! Ich entschied mich für Letzteres. Mit 28 Jahren gründete ich meine ganz private Zeitarbeitsagentur und vermietete mich an Firmen in und um München. Das funktionierte 15 Jahre lang gut. Doch nach dem Umzug nach Waging, ging die Suche nach einer Arbeitsstelle in der Nähe weiter. Viele Bewerbungen, wenig Vorstellungsgespräche und nur Absagen. Die Gründe dieses Mal: überqualifiziert, Zickzack-Lebenslauf und die Befürchtung ich wäre wegen meiner Selbständigkeit nicht teamfähig.

Das ich 2017 dann doch fündig wurde, habe ich meinem Chef zu verdanken, der mir damals als einziger eine Chance gab, obwohl ich nicht aus der Branche kam und kaum Ahnung von den Abläufen im Handwerk hatte.

Die Jugend von heute stellt Forderungen an ihre Arbeitgeber, die zu meiner Zeit absurd gewesen wären, die heute aber wegen des eklatanten Fachkräftemangels akzeptiert werden. Das grenzt teilweise schon an Erpressung, was da mitunter abläuft. Dabei ist die Einstellung in der »Generation Z« verbreitet, dass ein Job nur dazu da ist, um am Ende des Monats Geld auf dem Konto zu haben. So wird teilweise ohne Verstand vor sich hin gearbeitet, nur damit man am Ende des Tages sagen kann, man hat irgendetwas getan. Wie oder was – das scheint völlig nebensächlich zu sein. Arbeit ist ein lästiges Übel, das die Freizeit unterbricht. Sie scheint keinen weiteren Wert mehr zu haben, als den Lohn, den man dafür bekommt. Eine fatale und auch traurige Entwicklung, die dazu führt, das Qualität und Quantität leiden und keiner mehr arbeiten will, als er muss.

Ich glaube, irgendwann bekommen auch die Jungen die Quittung dafür. Bis dahin werden wir uns auf schwierige Zeiten einstellen müssen.

Für mich ist und bleibt Arbeit ein Privileg. Es bedeutet für mich Verantwortung dafür zu übernehmen, was ich tue und das Bestmögliche zu geben, egal wie schlecht die Situation gerade ist und wie widrig die Umstände. So bin ich das gewohnt und so wird es auch bleiben.

Tierpfleger versetzt

Die Sendung »Elefant, Tiger und Co« vom MDR ist inzwischen die einzige Sendung im Fernsehen, die ich regelmäßig anschaue. Die Dokusoap aus dem Leipziger Zoo brachte mir nicht nur die Zootiere näher, sondern auch die Menschen, die dort arbeiten.

Umso ärgerlich ist es, dass ausgerechnet Zuschauerliebling Jörg Gräser in den letzten Folgen nicht mehr zu sehen war. Inzwischen ist herausgekommen, dass der Pfleger nach 30 Jahren von den Löwen, Hyänen und Erdmännchen zu den Kaninchen in den Streichelzoo strafversetzt wurde. Der Grund ist wahrscheinlich der Facebookeintrag einer überfürsorglichen Mutter, die durch einen offenen Schieber die Fütterung der Löwen gefilmt hat und dies als verstörende Erfahrung für ihr Kind bezeichnete. Denn die Löwen fraßen gerade ein getötetes Zebra.

Der Zebrahengst konnte trotz intensiven Bemühungen nicht an andere Zoos abgegeben werden und musste getötet werden. Die Verfütterung des Tieres an die Löwen sollte jedoch von den Besuchern unbemerkt geschehen. Leider war der Schieber geöffnet und der Zebrakopf plus Löwe gut von draußen zu sehen.

Wer nun den Schieber offengelassen hat und ob die Fütterung von der Zooleitung befohlen wurde oder nicht, dazu schweigt der Zoo Leipzig. Aber im Zuge dessen kam es offenbar zu Diskrepanzen zwischen Tierpfleger und Zooleitung. Das Ergebnis: Jörg Gräser musste seine geliebten Löwen Anfang April verlassen. Der Kater Majo starb kurze Zeit später an einem Infekt, Löwin Kingali brachte durch den Stress ein offenbar nicht lebensfähiges Jungtier zur Welt. Letzteren Fakt versuchte der Zoo zu verschweigen, musste es aber auf Druck der Presse zugeben.

Die Zuschauer jedenfalls lassen ihren Unmut in den Sozialen Medien freien Lauf. Es gibt sogar eine Petition, die die Rückkehr von »Löwenpapa« Jörg Gräser fordert. Auch ich habe unterschrieben.

Der Zoo Leipzig hat sich damit keinen Gefallen getan. Auch wenn die Mitarbeiter des MDR nicht daran schuld sind und sogar selbst von den internen Querelen nichts wussten, ich werde mir die Sendung sicher nicht so schnell mehr ansehen.

Grottenschlechtes Video

Ich habe diese Woche mit dem neuen Portal der Bayernwerke gekämpft. Dass alte war schon kompliziert, aber ich wusste immerhin nach ein paar Mal, was ich wo eintragen musste. Das neue Portal, das es seit Ende März gibt, funktioniert komplett anders und ist auf den ersten Blick verwirrend. Wenn man sich nämlich als Elektrofirma anmeldet und einen Auftrag für einen Kunden anlegt, wird man im Grund wie der Kunde behandelt. Wahrscheinlich können sich jetzt auch die Bauherren dort anmelden. So genau blicke ich da noch nicht durch. Erst im zweiten Schritt kann man dann die technisch relevanten Daten eintragen.

Ich hab diese Woche zwei Tage gebraucht, um eine PV-Anlage und einen Hausanschluss anzumelden. Letzteren hatte ich schon mal per Formular und E-Mail anmeldet, der war aber mal wieder verbummelt worden. Wie so häufig in den letzten Monaten. Also musste ich ihn neu machen und zwar über das Portal. Das geht jetzt übrigens nur noch online. Bis vor zwei Jahren habe ich die Anmeldungen noch per Fax schicken müssen, dann per Mail und ab jetzt eben online. Mal sehen, ob es dann besser klappt mit der Bearbeitung der Anträge.

Zumindest gibt es ein paar Videos, die erklären, wie das neue Portal funktioniert und was man wo eintragen muss. Ich habe mir die mal angetan, im wahrsten Sinne des Wortes. Zunächst ohne Ton später mit. Bei meinem Sinn für Sprache hat mir das richtig weh getan. Die Unprofessionalität ist kaum zu ertragen. Warum kann man nicht ein bisschen Geld in die Hand nehmen und einen halbwegs professionellen Autor und einen Sprecher engagieren? Das ist für die Bayernwerke, deren Ruf bei Bauherren und Elektrikern in den letzten Jahren ohnehin gelitten hat, keine besonders gute Werbung. Aber seht selbst.

Leichenschau

Vergangenes Wochenende waren wir mal wieder am See. Seit Dezember werden hier Baumstämme für die jährliche Holzaktion gelagert, wie in jedem Jahr übrigens.

Ich bezeichne das immer als Leichenschau, wenn am Wochenende die Familien und Pärchen herumgehen und sich die Bäume ansehen. Denn nichts anderes ist es. Wenn die Bäume so viel Aufmerksamkeit bekommen hätten als sie noch standen, wie jetzt als tote Stämme, hätten wir weniger Umweltprobleme. Diese Holzauktionen gibt es jedes Jahr und jedes Jahr werden es mehr Stämme. Noch vor zehn Jahren reichte ein kleiner Platz am See. Inzwischen liegen sie überall an der Straße und im Park verteilt.

In den letzten Jahren wurden auch in der Gemeinde und drumherum viele Bäume gefällt. Und damit meine ich nicht, die abgestorbenen Bäume, die in Thüringen ganze Berge haben kahl werden lassen. Hier sind es gesunde Bäume, die wegen des Holzes geschlagen werden oder einfach nur, weil sie im Weg sind. Am Festplatz wurde unlängst ein Baum gefällt, weil für nicht mal eine Woche dort ein Festzelt aufgestellt wurde. Ratsch einfach weg. Das etwa einen Hektar große Wäldchen an der Landstraße Richtung Traunstein war innerhalb einer Woche einfach weg. Der Nussbaum und die Weiden am Bach, weg, wegen einer Straße und zwei neuer Häuser. Neue Bäume werden nur selten nachgepflanzt.

Der Hunger nach Energie holt sich nun die Wälder, wenn Gas- und Ölpreis steigen. Und wer mir erzählen will, dass mit Holz heizen nachhaltig ist, den lade ich gern mal ein, wenn der Nachbar wieder Holz sägt: Mit einem Holzspalter und einer Kreissäge, die mit einem alten Traktor angetrieben werden. Da läuft den ganzen Tag der Dieselmotor. Der Rest des Holzes wird gehäckselt und im Hof tagsüber zum Trocknen breit gemacht. Wo er abends mit dem Traktor und der Baggerschaufel zusammen und am nächsten Morgen auf die gleiche Weise wieder auseinander geschoben wird. Wie viel CO2 allein in der Verarbeitung des Holzes steckt, vom aus dem Wald holen und dem Abtransportieren des geschnittenen Holzes rede ich gar nicht. Jedenfalls müssen die Geschäfte gut laufen, denn es wird oft Holz gesägt in letzter Zeit. Manchmal dröhnt das Geräusch der Säge und des Traktors tagelang über die Straße.

Zugbindung oder keine Zugbindung

Die Überschrift erzählt es schon. Ich war am Wochenende wieder mit der Deutschen Bahn unterwegs. Am Freitag lief es planmäßig. Ich kam überpünktlich und ohne Rennerei an und konnte endlich meinen Zahnarzttermin wahrnehmen, der im Dezember wegen meinem Abenteuer mit der Zugevakuierung ausgefallen war.

Die Rückfahrt war allerdings wieder das Problem. Beim letzten Mal war es ein angekündigter Selbstmord, dieses Mal wurde mir schon drei Wochen vorher per E-Mail mitgeteilt, dass ich wegen diverser Baustellen meinen Anschlusszug in Nürnberg nicht erreichen würde. Ich solle doch eine frühere Verbindung nehmen, die Zugbindung bei meinem Sparticket wäre aufgehoben. Ich fuhr also eine Stunde früher los und wollte mir wie immer vor der Abfahrt am Schalter noch schriftlich die Aufhebung der Zugbindung auf meinem Fahrschein bestätigen lassen.

An diesem Montag hatte der Schalter allerdings geschlossen. Ich sprach den Zugbegleiter in der Regionalbahn drauf an, der wollte oder konnte das aber nicht machen. Meine herausgesuchte neue Verbindung klappte hinten und vorne nicht, obwohl ich eine Stunde früher als geplant losfuhr, strandete ich erstmal in Nürnberg. Der junge Mann am Serviceschalter ließ sich auch nach Vorzeigen der E-Mail überzeugen, die Zugbindung meines Tickets aufzuheben. Ich holte mir etwas zu Essen und fuhr mit dem nächsten ICE problemlos nach München.

Hier war wiedererwarten der EC, mit dem ich ursprünglich fahren wollte, noch nicht abgefahren. Im Gegenteil, er stand noch nicht einmal da. Was wieder beweist, dass nichts verlässlicher ist, als Verspätungen bei der Deutschen Bahn. Laut Anzeige sollte er 15 Minuten Verspätung haben, daraus wurden dann 30 Minuten. Ich machte mich schon auf den Weg zur Regionalbahn, als die Durchsage kam, dass wegen einer Stellwerksstörung zur Zeit keine Züge aus Richtung Augsburg und Rosenheim ein- oder abfahren können. Oha! Deshalb war der Bahnhof so leer. Es standen nämlich kaum Züge herum. Ich hatte mich schon gewundert.

Kurzerhand fragte ich beim herumstehenden Bahnpersonal nach, ob es nicht sinnvoller wäre, zum Ostbahnhof zu fahren, sofern die S-Bahn vom Stellwerksausfall nicht betroffen ist. Der freundliche Herr fand, es sei eine gute Idee und schaute gleich auf seinem Smart-Phone nach, ob die S-Bahnen fuhren. Sie taten es, also fuhr ich zum Ostbahnhof. Dort warteten schon hunderte Leute auf einen Zug Richtung Rosenheim. Zehn Minuten später kam eine Regionalbahn, in die die meisten Pendler einstiegen. Zurück blieben nur jene, die weiter als bis Rosenheim wollten.

Auf der Anzeigetafel standen zwei Züge Richtung Salzburg zur gleichen Zeit, die Regionalbahn und der EC, der inzwischen 40 Minuten Verspätung hatte. Da Fernverkehrszüge immer Vorrang haben, kam der auch zuerst. Ich stieg ein und suchte mir einen Platz im fast leeren Großraumwagen.

Irgendwann vor Rosenheim kam der Zugbegleiter, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Ein gutaussehender junger Mann – vor zwanzig Jahren wäre das exakt mein Beuteschema gewesen – nahm mein Ticket und meinte, dass ich nicht mit dem EC hätte fahren dürfen. Ich erklärte ihm, dass die Zugbindung der Fahrkarte aufgehoben wäre, und deutete auf den Stempel. Das interessierte ihn aber nicht. Er meinte, das gelte nur für den ICE und weil ich laut Fahrkarte mit der Regionalbahn weitergefahren wäre, hätte ich nicht in den EC einsteigen dürfen. Mein Argument, dass eine aufgehobene Zugbindung bedeutet, dass ich alle Züge der Bahn benützen dürfte, dementierte er. Ich holte sogar mein Handy vor, um ihm die E-Mail zu zeigen. Er sagte, dass ich mir ein Ticket für den EC hätte holen müssen und mir das Geld über die Fahrgastrechte hätte wiederholen sollen. (Das funktioniert nicht, dass Problem hatte ich nämlich schon mal. Das zusätzliche Ticket habe ich damals nicht ersetzt bekommen, weil ich ja eine Fahrkarte hatte, bei der die Zugbindung aufgehoben war.) Deshalb regte ich entsprechend auf.

Ich fahre fast 30 Jahre mit der Bahn, aber dass man mir Schwarzfahren unterstellte, ist mir in all den Jahren noch nie passiert. Ich fragte ihn etwas lauter als normal, ob das denn eine neue Vorschrift wäre. Er konterte: dass wäre schon immer so gewesen und ich solle mich bitte beruhigen. Er würde mich jetzt trotzdem weiterfahren lassen, aber ich sollte mir das fürs nächste Mal merken. Meine Frage, wo denn steht, dass IC und EC-Züge nicht unter die Aufhebung der Zugbindung fallen, konnte oder wollte er mir nicht beantworten. Er druckste nur herum, dass seine Vorgesetzten in letzter Zeit genauer hinschauen würden. Aha! Daher wehte der Wind. Er knipste meine Fahrkarte ab und ging weiter. Ich war stinksauer.

Also, ganz ehrlich, beim nächsten Mal ignoriere ich den Verbindungsalarm der DB Reisebegleitung, fahre mit den vorgeschriebenen Zügen, nehme die Verspätung in Kauf und hole mir mittels der Fahrgastrechte ein Teil der Fahrkartenpreises wieder, selbst wenn es nur 5 Euro sind.

Hier zum Nachlesen die Beförderungsbedingungen der DB zur Zugbindung. Da steht ganz deutlich, dass man mit allen Züge fahren kann, auch mit IC- und EC-Zügen. Offensichtlich wissen die Angestellten der Bahn selbst nicht, was in den Bedingungen steht. Ich habe das jetzt auf meinem Handy gespeichert, falls es wieder einer nicht weiß. Unfassbar!

Schädlingsbefall

Im vergangenen Frühjahr hatte ich eine neue Orchidee gekauft. Normalerweise hole ich die beim Gärtner oder im Gartenfachhandel. Diese hatte ich beim REWE gesehen und weil sie so eine tolle Farbe hatte und auch noch duftete, bin ich schwach geworden.

Im Sommer dann stellte ich fest, dass meine Orchideen plötzlich Schildläuse hatten. Anfangs war es nur mal hier oder da eine und auch nicht bei allen Pflanzen. Ich machte die weg, die ich fand und dachte, damit hätte sich die Sache erledigt. Es wurde aber immer schlimmer. Zum Schluss wurde ich der Plage nicht mehr Herr. Alle meine Mini-Orchideen waren befallen, sogar meine beiden seltenen Stücke. Selbst an den Blüten hatten sich die Schildläuse festgesetzt. Ich musste mir etwas einfallen lassen.

Das Orchideen Fachbuch riet zur Behandlung mit Seife. Also nahm ich jede Pflanze und wusch Blätter und Stängel mit Seifenlauge aus Kernseife ab. Das ist bei zwanzig höchst empfindlichen Pflanzen richtig viel Arbeit. Zumal sich die Läuse zu verstecken wissen. Nach dem ersten Mal war der Erfolg nur minimal. Die Schildläuse kamen zurück. Erst als ich das Prozedere noch zwei Mal wiederholte, besserte sich die Lage. Ich fand keine Läuse mehr.

Als ich am Freitag meine Orchideen wie gewohnt tauchte, waren sie zumindest an einer Pflanze wieder da. Ausgerechnet jetzt nachdem alle Pflanzen neue Rispen ausgetrieben haben. Sprich, die nächsten Male werden die Pflanzen wieder mit Seife behandelt.

Seit fünfzehn Jahren habe ich Orchideen und seit dem hatte ich noch nie Schildläuse. Ich ärgere mich sehr, dass ich die Orchidee aus dem Supermarkt überhaupt gekauft und damit die Schädlinge eingeschleppt habe.

Ahhhhh!

Ahhh! Die Erste:

Nicht schon wieder!

Unsere Monstera beglückt uns erneut mit einem Blatt. Ich hatte sowas bereits befürchtet, aber, dass es so schnell gehen würde …

Mein Mann hatte das Blatt am letzten Wochenende entdeckt und jetzt ist es schon fast ausgerollt. Unsere zweite »kleinere« Monstera muss natürlich nachziehen. Hier habe ich auch ein neues Blatt entdeckt. Bei der ist das nicht so schlimm, die ist schön buschig und die Blätter sind nicht so riesig. Wahrscheinlich, weil wir sie vor ein paar Jahren mal radikal geköpft hatten.

Ahhhh! Die Zweite:

Den ganzen Samstag haben wir damit verbracht Regale, für unseren Keller zusammenzuschrauben. Ich habe als Kind liebend gern mit Metallbaukästen gespielt. Das hier war ähnlich, mit vielen Schrauben, Muttern und Lochleisten. Dennoch entpuppte es sich als recht knifflig und vor allem anstrengend. Man ist dann doch keine Zwanzig mehr und das viele Bücken, Knien und am Boden herumrobben ist dann doch etwas beschwerlich.

Für das erste Regal mit vier Böden haben wir daher eine Dreiviertelstunde gebraucht. Unteranderem, weil wir es nochmal auseinander schrauben mussten. Die Decke ist schräg und es hat um einen Zentimeter nicht gepasst. Die weiteren gingen etwas schneller, aber …

Wer zur Hölle kommt auf die Idee vor dem Verkauf die Muttern auf die Schrauben zu drehen. Ahhh! Ich habe gefühlt erstmal tausend Muttern von den Schrauben drehen müssen, damit wir die überhaupt verwenden konnten. Sowas verschickt man getrennt, aber doch nicht fertig verschraubt. Das hat uns sicher eine Stunde mehr gekostet und mir wunde Fingerkuppen eingebracht. Argl!

Deutsche Bahn – Jede Fahrt ein Abenteuer

Es ist wie in der Lotterie. Manchmal zieht man das große Los, sehr oft aber erwischt man eine Niete. Und manchmal kann die Niete auch ein Hauptgewinn sein. Je nachdem wie man es betrachtet. Bei meiner Reise mit der Deutschen Bahn am Freitag lässt sich leider nicht so genau definieren, was von beiden es ist nun ist. Diese Entscheidung überlasse ich dem Betrachter.

Seit über zwanzig Jahren fahre ich regelmäßig mit der Bahn. In den vergangenen Jahren war es etwas weniger. Bis 2017 aber, waren es ca. 4000 Euro im Jahr, die ich für Fahrkarten ausgeben habe. Man kann sich also ausrechnen, wie oft ich unterwegs war. In all der Zeit habe ich so einiges erlebt, aber ich habe nie eine Zug-Evakuierung mitmachen müssen. Am Freitag war es dann soweit:

Es geht schon damit los, dass der Meridian kurz hinter Rosenheim an einer Langsamfahrstelle (wegen defekter Schwellen) Verspätung aufbaut. Als der Zug in den Münchner Hauptbahnhof einfährt, kommt uns mein ICE schon entgegen.
Blöderweise ist der Sprinter ausgefallen, mit dem ich sonst immer fahre, wenn ich meinen Zug verpasse. Ich nehme also einen ICE nach Nürnberg, wo ich dann die Option habe, 44 Minuten zu warten und mit der Regionalbahn weiterzufahren, um eineinhalb Stunden später anzukommen oder einen ICE nach Erfurt zu nehmen und von dort nach Saalfeld zu kommen (mit nur 50 Minuten Verspätung). Weil es kalt ist, entscheide ich mich für die Fahrt mit dem ICE über Erfurt.

Schwerer Fehler!

Das passende Wetter zum Evakuieren

Kurz vor Erfurt macht der Zug eine Vollbremsung. Kurzzeitig riecht es merkwürdig, dann steht der Zug … und steht und steht und steht. Die Durchsagen des Personals sind spärlich und sollen Hoffnung schüren, dass es bald weitergeht. Draußen rieselt der Schnee, über die verschneiten Felder hüpfen die Rehe. Es wäre so idyllisch, wenn nicht die Ungewissheit wäre, wie und wann es denn weitergeht.

Nach einer Stunde bewegt sich der Zug wieder. Die Durchsagen machen weiter Hoffnung. Nur leider ist die Geschwindigkeit so gering, dass man daneben herlaufen könnte und man wäre schneller. Immer wieder bleibt der Zug stehen, bewegt sich dann wieder ein paar Meter vorwärts, bleibt wieder stehen. Ich schwanke zwischen Hoffnung und Frust. Meinen Zahnarzttermin hatte ich schon beim Umsteigen in Nürnberg abgesagt.

Etwa zwei Kilometer weiter auf der Höhe von Arnstadt bleibt der Zug endgültig liegen. Die Durchsage ist diesmal ernüchternd, auch wenn sich die Zugbegleiterin Mühe gibt, das Ganze auszuschmücken, um die Situation besser darzustellen, als sie ist. Wir sollen evakuiert werden. Der Ersatzzug würde in Erfurt gerade bereitgestellt. Alles bereitet sich schon mal vor. Dann heißt es warten, warten und weiter warten.

Bahnangestellte laufen mit orangen Westen und Rettungsleitern durch den Zug. An drei Wagen sollen die Übergänge platziert werden. Ich werfe einen sehnsüchtigen Blick auf die Autobahn, die an der Schnellstrecke entlangführt. Ich fahre gern mit der Bahn, inzwischen aber wäre mir ein Auto lieber, trotz des Winterwetters mit glatten Straßen. Zumindest funktioniert die Heizung im Zug. Dann fährt der Zug wieder. Allerdings rückwärts, um sich für die Evakuierung in Position zu begeben. Nicht nur ich frage mich, warum der Zug rückwärts fahren kann aber nicht vorwärts. Wahrscheinlich ist nur ein Triebkopf beschädigt.

Das Taxi ist da.

Ich warte und warte. Irgendwann fährt ein zweiter ICE längsseits und hält. Das Taxi ist da! Doch es dauert noch eine halbe Stunde, bis die Evakuierung losgehen soll. Dann die Durchsage: Die Evakuierung kann nicht wie geplant über Stege von Zug zu Zug stattfinden, sondern über Leitern, weil die Länge der Wagons der beiden Züge nicht übereinstimmt. Die Durchsage erntet sarkastisches Gelächter unter den Passagieren. Draußen schneit es immer mehr. Deshalb wird der Zug nur über zwei Ausgänge evakuiert, nämlich die, die unterhalb einer Brücke liegen, damit niemand nass wird oder auf den Leitern ausrutscht.

Inzwischen ist in Polizei da. Zwei Bundeswehrangehörige auf Heimaturlaub, die zufälligerweise im Zug sitzen, helfen mit. Nochmal eine halbe Stunde später beginnt die Evakuierung. Wagen für Wagen werden die Passagiere aufgefordert zu den zwei Ausgängen am hinteren Teil des Zuges zu gehen. Wir stehen in einer Reihe. Alle sind diszipliniert. Es geht zügig voran. Ich bin schon dran, da werde ich zum nächsten Ausgang weitergeschickt. Hier scheint es ein kleines Problem zu geben, denn die Schlange bewegt sich nicht. Dann gehts doch weiter. Im Reißverschlussverfahren werden die Leute aus zwei Wagen aufgefordert, die Leiter hinunter zu klettern. Die schmale Treppe ist tatsächlich glatt, aber ich komme heil runter. Ich wage nicht daran zu denken, ob und wie meine Eltern da hinuntergeklettert wären. Man reicht mir meinen Koffer, ich bedanke mich artig und gehe ein paar Meter bis zum einzigen Eingang am Ersatzzugs. Jemand nimmt mir den Koffer ab und ich klettere die steile Leiter wieder hoch. Das Ganze hat kaum eine Minute in Anspruch genommen. Ich laufe im Zug nach vorn und finde einen freien Sitzplatz neben einem jungen Mann mit MacBook.

Dann heißt es wieder warten. Der ICE ist entsprechend voll gewesen, weil der Sprinter ausgefallen war. Dementsprechend viele Passagiere müssen den Zug wechseln. Es dauert nochmal eine ganze Stunde, bis alle an Bord sind und es unter Applaus weitergehen kann. Trotzdem sollte ich froh sein, dass der Zug nicht in einem der 26 Tunnel liegengeblieben ist, die wir zuvor durchquert haben. Ärgerlich ist es dennoch. In den dreieinhalb Stunden, die die ganze Evakuierung gedauert hat, hätte man fast bis Erfurt laufen können. Ich frage mich: Warum man da keine Lok davor spannen kann? Das würde schneller gehen.

10:24 Uhr sollte ich ursprünglich in Erfurt ankommen. Als der Ersatzzug am Bahnsteig hält ist es 15 Uhr. Ich muss dringend was essen, und mein Trinken ist auch alle. An Bord wurde zwar Wasser ausgegeben, ich habe nur leider keins mehr bekommen. Am Bahnhof in Erfurt versorge ich mich erst einmal mit Essen und Trinken. Um 15:44 Uhr geht es weiter. Die Regionalbahn ist nicht nur proppenvoll voll, sondern auch eiskalt. Es zieht an den Füßen und ich friere trotz Jacke und dickem Pullover. Die privaten Bahnen müssen halt sparen. Dafür ist der Zug pünktlich.

Um kurz vor 17 Uhr komme ich endlich am Zielbahnhof an, sieben Stunden später als geplant. Insgesamt war ich elf Stunden unterwegs. Ein neuer Rekord für diese Strecke.

Am Montag muss ich wieder zurück. Dieses Mal auch wieder über Erfurt. Ich »freue« mich schon sehr. Ein neues Abenteuer wartet.

Nur ein Etikett

Diese ganze Diskussion um das Bürgergeld finde ich wenig zielführend, weil es nicht die wahren Probleme aufdeckt, weshalb manche Menschen genauso viel Geld bekommen, wenn sie daheim bleiben, als wenn sie arbeiten würden.

Fakt ist, das Bürgergeld ist keine neue Erfindung, das gibt es schon seit Jahrzehnten. Vor zwanzig Jahren hieß es Sozialhilfe, später wurde daraus Arbeitslosengeld II, dann Hartz IV und jetzt heißt es eben Bürgergeld. Es wurde immer nur das Etikett getauscht und ein paar kleinere Anpassungen vorgenommen.
Fakt ist auch, es gab schon immer Leute, die staatliche Hilfen ausgenutzt haben und es wird immer Leute geben, die sie ausnutzen werden. Das wird kein Gesetz der Welt verhindern können. Ein Großteil der Menschen, die das Geld bekommen, benötigen es auch, z. B. weil sie schlicht nicht »mehr« arbeitsfähig sind oder weil sie alleinstehend Kinder oder Verwandte versorgen müssen.
Außerdem, die paar Euro, um die das Bürgergeld jetzt erhöht wurde, hat die Inflation schon längst gefressen.

Jeder, der sich darüber aufregt, dass Menschen die arbeiten, oft weniger haben, als Empfänger von Bürgergeld, darf dabei nicht vergessen, dass jeder, der nach Abzug der Miete weniger als das Mindesteinkommen hat, Anrecht auf staatliche Zuschüsse, wie Wohngeld hat. Leider wissen dies nur die Wenigsten. Viele Geringverdiener scheuen sich die Anträge zu stellen, entweder weil es ihnen zu bürokratisch ist, oder weil die Leute zu stolz sind.

Dass immer mehr Menschen staatliche Unterstützung brauchen, obwohl sie einer geregelten Arbeit nachgehen, finde ich sehr problematisch. Hier liegt der Hund begraben. Die Unternehmen machen es sich einerseits einfach in dem sie weniger Gehalt zahlen, um damit ihre Gewinnmargen hochzuhalten. Andererseits müssen Arbeitgeber auch eine Menge Geld für jeden Beschäftigen an den Staat abdrücken. Nirgendwo in Europa ist die Abgabenlast so hoch wie in Deutschland. (Irgendwo muss das Geld für das Bürgergeld und die Renten herkommen.) Ich bin mir sicher, dass viele Arbeitgeber (vor allem Handwerker) ihre Leute besser bezahlen könnten, wenn sie nicht so viele Abgaben an den Staat zahlen müssten. Und viele Arbeitnehmer hätten mehr Geld in der Tasche, wenn sie weniger Steuern und Versicherungen zahlen müssten.

Vielleicht wäre es auf Dauer sinnvoller, weniger Abgaben zu verlangen und den Arbeitgebern Anreize zu geben, mehr Leute einzustellen. Wahrscheinlich müsste man einigen der jungen sowie den langjährigen Beziehern von Sozialleistung, Arbeit erst einmal wieder schmackhaft machen. Wie das gehen soll, dazu habe ich allerdings keine Idee. Ich sehe nur tagtäglich, wie lustlos schon die Azubis bei uns anfangen. Die möchten viel verdienen und möglichst wenig dafür tun. Da würde vielleicht ein Prämiensystem helfen.

Ein weiteres Problem in Deutschland ist der geringe Anteil an Wohneigentum. Die meisten Menschen in Deutschland wohnen zur Miete. In anderen Ländern Europas ist der Anteil an Wohneigentum viel größer. Daher kommen dort die Menschen auch mit weniger Geld zurecht. In Deutschland wird es jedoch immer schwieriger an Wohneigentum zu kommen. Massive Bauvorschriften, dazu steigenden Baukosten und Zinsen haben es für Geringverdiener und die Mittelschicht in den letzten Jahren und Monaten beinahe unmöglich gemacht, an Wohneigentum zu kommen. Da ist durch Spekulation eine gigantische Blase entstanden, die das Dilemma noch befeuert. Auch deswegen brauchen Menschen in Deutschland Bürgergeld, weil sie die hohen Mieten und Nebenkosten nicht zahlen können. Hier hätte schon längst ein staatlicher Eingriff erfolgen müssen. Aber wie so oft wurde darauf gesetzt, dass der Markt das von selbst regelt. Das Ergebnis sehen wir jetzt.

Außerdem fände ich gut, wenn es weniger Abgeordnete in den Parlamenten gäbe und auch Beamte in die Sozialkassen einzahlen würden, im Namen der Gerechtigkeit.

Durch Stellenabbau in die Krise

Alle jammern und schreien momentan, dass sie zu wenig Personal haben und das die meiste Arbeit liegenbleibt. Im Gesundheitswesen ist das natürlich besonders schlecht. Einige behaupten, dass es an den hohen Corona-Inzidenzen liegt. Ich behaupte mal, dass dies nicht der primäre Auslöser ist. Die Situation ist zu komplex, um sie auf einen einzigen Auslöser herunterzubrechen. Es ist wie überall alles viel verzahnter, als wir uns das vorstellen können.

Unsere Personalprobleme sind vor allem eines, sie sind hausgemacht. Ich nenne jetzt mal nur ein Beispiel: das Bayernwerk. Hier wurden in den letzten zwanzig Jahren mehr als 2000 Stellen abgebaut. Wie viel es genau sind, ist nicht klar, aber es ist spürbar geworden. Seit Jahren stelle ich regelmäßig Anträge für Hausanschlüsse, Inbetriebsetzungen, Zählerwechsel und PV-Anlagen. Bisher lief das relativ problemlos. Formular ausfüllen, per E-Mail an das jeweilige Kundencenter schicken und fertig. Manchmal gab es Rückfragen, dann haben die mich angerufen und wir haben das telefonisch geklärt, z. B. wenn es Probleme mit der Höhe der Anschlussleistungen gab. Seit ca. eineinhalb Jahren ist das nicht mehr so. Ich muss jedem Antrag hinterher telefonieren und sicherstellen, das er a angekommen ist und b auch bearbeitet wird. Das ist nicht mehr selbstverständlich. Die Bearbeitung eines Antrags dauert inzwischen drei Mal so lange, wenn er nicht komplett durchs Raster fällt. Ich hatte unlängst ein Bauvorhaben, bei dem ich den Hausanschluss am 21. Oktober 2021 beantragt habe. Ratet mal, wann der kam. Der Anschluss wurde in der letzten Septemberwoche 2022 endlich gelegt. Und das auch nur, weil ich seit Mitte Juli fast wöchentlich beim Bayernwerk angerufen und darum gebettelt habe.

Die Zählermonteure erzählen mir am Telefon, dass in den letzten zwei Jahren 400 Stellen abgebaut wurden und es sogar für sie immer schwieriger wird, jemandem beim Bayernwerk zu erreichen. Bisher waren zumindest die Kundencenter gut besetzt. Jetzt sind die Leute entweder im Urlaub, krank oder im Homeoffice. Bei manchen Kundencentern sitzen inzwischen Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen am Telefon. Die haben aber keinen Zugang zu den Daten im System. Sprich, die können nichts nachschauen und auch nichts bewegen, sondern nur die Anrufe notieren, welche dann von den richtigen Mitarbeitern bearbeitet werden, falls sie irgendwann mal Zeit haben. So wird der Berg von Anträgen immer größer, den sie vor sich herschieben, bis das ganze System zusammenbricht. Anträge gehen verloren, werden nicht bearbeitet und die Leute können nicht in ihre Häuser ziehen, weil kein Strom da ist. Den Schwarzen Peter bekommen dann natürlich wir Installationsbetriebe zugeschoben, weil wir für die Beantragung zuständig sind. Ich sage nur so viel, dass ich im vergangenen halben Jahr so oft mit dem Bayernwerk telefoniert habe, wie in den letzten fünf Jahren zusammen, in denen ich den Job schon mache.

Das lässt sich leicht auf andere Institutionen übertragen wie Versicherungen, Großhändler, Ämter oder Banken. Ganz großen Anteil hat hier der Stellenabbau in den vergangenen Jahrzehnten. Überall wurden massiv Stellen abgebaut, sind Leute in Rente gegangen und kein Nachwuchs ausgebildet. Da wurde schlicht auf Kante genäht und so viele wie nur möglich Stellen gestrichen und Polster abgebaut. Da reicht dann eine Krankheitswelle unter den Mitarbeitern und es bleibt so viel Arbeit liegen, bis sie nicht mehr abzuarbeiten ist. Die wenigen Leute kommen nicht mehr hinterher, müssen Überstunden machen, sind unzufrieden und gestresst, werden krank oder kündigen. Was dazu führt, dass die Arbeit auf noch weniger Schultern verteilt werden muss und die Mitarbeiter noch mehr leiden und noch weniger hinterher kommen. Das ist eine Spirale, die irgendwann zum Kollaps führt. In der Gastronomie und im Handel ist es inzwischen schon soweit, dass Geschäfte und Lokale geschlossen werden, weil sich keiner mehr findet, der dort arbeiten will. Hier spielt natürlich auch die schlechte Entlohnung und die mangelnde Motivation der jüngeren Generation eine Rolle.

Ich habe zudem den Verdacht, dass bei vielen Firmen auch die Effektivität der Arbeit durch das Homeoffice in den letzten zwei Jahren massiv gelitten hat. Und denke, dass Arbeiten im Homeoffice nicht für jeden geeignet ist. Wenn ich sehe, wie das in meinem Bekanntenkreis mitunter schamlos ausgenutzt wird (da wird nebenbei die Wohnung renoviert oder ähnliches), kann ich mir nicht vorstellen, dass sich das nur positiv auf die Produktivität auswirkt. In den USA haben die Leute sogar Zweit und Drittjobs angenommen und für jeden Job 40 Stunden abgerechnet. Ich kann nur sagen, dass ich und meine Kollegen nicht im Homeoffice arbeiten konnten. So eine Steckdose lässt sich halt nicht vom Bildschirm aus installieren oder eine WC-Spülung repariert sich auch nicht per Fernwartung (nun ja, nicht jede zumindest). Wenn man dringend etwas braucht, muss man jetzt viel länger warten, bis man es bekommt. Mein Mann kann ein Lied davon singen. Er ist mitunter einer der wenigen, der in der Entwicklungsabteilung einer großen Firma vor Ort arbeitet, weil er eben die Versuchsaufbauten nicht mit nach Hause nehmen kann. Und er muss nun oftmals tagelang auf irgendwelche Elektronikbauteile und Software-Änderungen warten. Es mag hier auch positive Beispiele geben, Leute die produktiver sind, weil sie nicht ständig vom Telefon usw. abgelenkt werden. Dem will ich nicht widersprechen, aber es gibt eben auch viele Leute, die das ausnutzen. Das sollte man zumindest mal kritisch hinterfragen.

Alles in allem glaube ich, dass die Entwicklung, die wir gerade beobachten, so weitergehen und sich sogar noch verschärfen wird, vor allem im Gesundheitswesen. (Wobei hier noch ganz andere Sachen zum Tragen kommen, aber das ist noch mal eine besondere Betrachtung wert.) Ich befürchte halt nur, wenn dann doch mal die kritische Infrastruktur zusammenbricht, dass die Verantwortlichen der Corona-Pandemie die Schuld geben. Das wäre aber falsch, denn es ist sicher nicht der wahre Grund, sondern eher die Gier der Aktionäre und Firmenchefs.