Weil es gestern auf Arbeit nicht ganz so arg zuging wie in den vergangenen Wochen (es sind noch Osterferien), hatte ich Gelegenheit all die Normen einzuordnen, die in diesem Jahr gekommen waren. Dabei wurde mir mal wieder bewusst, in welch einem Dschungel aus Vorschriften wir leben. Es gibt für beinahe alles ein Norm oder eine entsprechende Anweisung. Allein die VDE-Normen nehmen im Regal sechs breite Ordner ein. Und das sind nur solche, die für das Elektro-Handwerk gelten. Dazu kommen nochmal fünf Ordner für Wasser- und Heizung-Installationstechnik. Ich habe gestern fast zwei Stunden gebraucht, bis ich den Stapel Normen an die richtigen Stellen sortiert hatte.
Später beschäftigte ich mich dann noch mit einem weiteren Normen-Entwurf, der demnächst aktuell wird. Die 2016 erschienene Norm war von Anfang an umstritten. Sie legt nämlich unteranderem fest, dass in Schlafräumen von Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern sowie in Holzbauten Brandschutzschalter eingebaut werden müssen. Diese Brandschutzschalter erkennen Lichtbögen und schalten den Strom ab, bevor es brennen kann. Sie stellen eine Redundanz zu den FI-Schutzschalter dar, die in Deutschland ohnehin Pflicht sind. Wer sich das damals ausgedacht hat, die Hersteller oder ein überfürsorglicher Beamter, sei dahingestellt. In der Theorie klingt das auch richtig und logisch, in der Praxis ist es alles andere als das. Die Schalter erkennen nämlich nicht nur Fehlerlichtbögen, sondern auch solche, die in Föhnen oder anderen elektrischen Geräten entstehen. Da ist dann mal schnell der Strom weg, wenn man den Föhn einschaltet. Die Hersteller wissen um das Problem, schaffen es aber nicht, es abzustellen.
Nun haben nicht nur die Innungen der Elektroinstallateure, sondern vor allem die Vereinigungen der Architekten und die Hersteller von Fertighäusern ein Problem mit den Brandschutzschaltern. Fertighäuser sind im meisten Fall Holzbauten und somit sind dort laut Norm Brandschutzschalter Pflicht. Das macht das Ganze aber teuer, denn so ein Brandschutzschalter kostet seine 300 Euro und man braucht für jeden Stromkreis einen. Gehen wir davon aus, dass die Verkabelung ordnungsgemäß verlegt wurde, sollte ein FI-Schutzschalter im Grunde reichen, ein zusätzlicher Brandschutzschalter verursacht im jetzigen Stadium mehr Ärger, als er nützt. Was tut man da? Der Normen-Ausschuss hat darauf reagiert und die Norm abgeändert. Im neuen Normen-Entwurf sind Brandschutzschalter nur noch eine Empfehlung und keine Pflicht mehr. Das wird von den Fertighaus-Herstellern euphorisch gefeiert.
Man sieht, das Normen im Bau oft ihren Sinn erfüllen, manchmal aber nicht wirklich praxistauglich sind, in den meisten Fällen aber vor allem das Bauen verteuern. Das ist übrigens auch ein Grund für die steigenden Miet- und Immobilienpreise (nicht der Hauptgrund, aber einer der Gründe). Ein Luxusbau und ein Sozialbau unterscheiden sich nicht mehr sehr voneinander. Die Vorschriften nach denen gebaut wird, sind die gleichen. Die 2006 eingeführte Energieeinsparverordnung (ENEV) die erstmalig 2002 in Kraft trat und die jährlich verschärft wird, hat zur Folge, das Neubauten zwar besser gedämmt sind, dafür aber zusätzliche Aktionen notwendig sind, um den Bau zu belüften. Außerdem hat sie die Baukosten enorm in die Höhe getrieben.
Wieviel CO2 spart man durch ein gut gedämmtes Haus ein? Steht dies im Verhältnis zum Aufwand der Lüftungsanlage, die man braucht, damit es nicht schimmelt? Die Anlage mit ihren Plastikrohren und Lüftungsgeräten (die Strom brauchen) hat doch schon jede Menge CO2 verbraucht, bevor sie überhaupt eingebaut wird. Manche Dinge verstehe ich nicht, ich muss sie zum Glück auch nicht verstehen.
Und da wundern sich die Leute, dass die Türkei schneller mit ihrem Flughafen fertig ist als Berlin?
Da haben sicherlich keine Politiker »mitgebaut«.
Dafür sind m.W. nach nicht „mindestens“ 52 Arbeiter beim Bau in Berlin gestorben.
Wie du es selbst anklingen lässt, eine Medaille hat zwei Seiten.