Da hatte ich die richtige Reiselektüre eingepackt, einen 850 Seiten Roman über die Reisen von Marco Polo.
Am Freitag und heute konnte ich auf meiner Bahnfahrt nicht nur den Roman zur Hälfte durchlesen, sondern mich regelrecht in den jungen Marco Polo auf seiner Reise nach Xanadu hineinversetzen. Wie die Hindernisse, die sich Marco Polo in den Weg stellten, so waren auch meine Fahrten gespickt mit jeder Menge Umstiegen, Baustellen und langsam fahrenden Zügen. Auf der Rückreise wäre ich noch fast in Prien gestrandet, weil das Bremssystem des MERIDIAN nicht richtig funktionierte und der Zugführer den Zug neu »booten« musste, bevor wir weiterfahren konnten. Zuvor bin ich noch durch den Münchner Hauptbahnhof gejoggt, damit ich den Zug überhaupt bekommen habe. Die Umsteigezeit lag bei 5 Minuten, weil der ICE wegen einer Baustelle bei Ingolstadt über Augsburg umgeleitet worden war und der MERIDIAN wegen der Baustelle zwischen Rosenheim und Grafing früher abfuhr als sonst. Normalerweise hätte ich ein Stunde später mit dem Railjet nach Rosenheim fahren sollen und danach mit dem MERIDIAN weiter nach Traunstein. Doch unverhofft kommt oft. Als ich in München einfuhr und aus dem Fenster blickte, fuhr parallel mit erheblicher Verspätung der MERIDAN ein. Das er am Ende dann eine halbe Stunde Verspätung hatte, konnte ich gerade noch verschmerzen. Schließlich war ich ja immerhin eine Viertelstunde früher da als geplant. Wobei … Bei regulärem Streckbetrieb hätte ich 15:31 Uhr ankommen müssen und nicht erst 16:44 Uhr.
Sommerzeit ist Baustellenzeit bei der Deutschen Bahn. So richtig verstehe ich das nicht, weil gerade in der Ferienzeit viele Leute in Zügen unterwegs sind. Heute war sowohl im ICE als auch im MERIDIAN jeder Platz besetzt. Von den Massen an Gepäck, die die Leute mitschleppten, ganz zu schweigen. Zwischen schreienden Kleinkindern, telefonierenden Managern und aufgeregt plaudernden Chinesen, dazu einem Hund von der Größe eines Kalbs und jeder Menge genervter Eltern wird Bahnfahren zur Tortur. Und wenn es dann noch Stunden länger dauert, weil überall gebaut wird, ist das wahrlich kein Vergnügen.
Gerade auf der Strecke zwischen München und Salzburg wird jedes Jahr, ich betone jedes Jahr, von April bis Oktober gebaut. Entweder das Zugaufkommen ist dort so groß, dass die Strecke jährlich instand gesetzt werden muss, oder … ich weiß es nicht. Es ist zumindest ziemlich nervig, das dort im Sommer zur Ferienzeit immer nur die Hälfte aller Züge fahren. In diesen Wochen ist auch noch die Hochgeschwindigkeitsstrecke über Ingolstadt wegen Bauarbeiten gesperrt, was massive Auswirkungen auf den Fahrbetrieb hat.
Ich frage mich, ob das nur in Deutschland so ein großen Problem ist, oder ob in anderen Ländern auch ständig irgendwelche Bauarbeiten ganze Regionen stilllegen. Meine Vermutung ist, dass die jahrzehntelangen Sparmaßnahmen bei der Bahn einen massiven Reparaturstau verursacht haben. Und das nicht nur an den Strecken, sondern auch an die Zügen selber. Da gingen heute wieder die Türen nicht und die meisten Toiletten waren gesperrt. Die Platzreservierungen funktionieren auch nur sporadisch.
Wenn ich in die Zukunft blicke, wird mir Angst und Bange. Denn ich glaube nicht, dass sich die Situation verbessern wird. Meinem Gefühl nach, hat sie sich in den vergangenen Jahren immer nur verschlechtert. Vielleicht läuft es darauf hinaus, dass wir irgendwann, wie Marco Polo wieder Tage brauchen werden, um von Süddeutschland nach Norddeutschland zu kommen. Zum Wohle von uns allen hoffe ich das nicht, aber meine zunehmend länger werdenden Reisezeiten, deuten genau auf das hin.