PERRY RHODAN NEO Band 92 – »Aurora Vermächtnis« von Kai Hirdt
Kai Hirdt setzt ein Ausrufezeichen, ein ziemlich großes sogar. Ich war ja gespannt auf das Erstlingswerk des Autors im NEOversum. Ich lese schon lange die »Perry« Comics und mochte seine STELLARIS-Geschichte und auch die Kurzgeschichte für die NEO-Platin Edition. Doch sein erster PERRY RHODAN-Roman hat mich schier umgehauen. Darin passt einfach alles. Von der Figurenzeichung bis zum Plot war alles perfekt ausgearbeitet und umgesetzt.
Der Autor verfügt über die große Fähigkeit, seine Figuren so lebhaft agieren zu lassen, dass man sich ihnen ganz nahe fühlt. Simon Freeman ist eine solche Figur. Das tragische Schicksal seiner Schwester, die scheinbar von einem Arkoniden vergiftet wurde, geht ans Herz. Da kullerte bei mir tatsächlich die eine oder andere Träne. Die Glaubwürdigkeit, mit der Kai Hirdt den Charakter schildert, beeindruckt. Man spürt, wie Simon sich verändert, wie er die Phasen der Trauer durchläuft. Er wird von den Leuten aus dem Widerstand beeinflusst und trifft am Ende doch die richtige Entscheidung zum Wohl der Menschheit, indem er seine Rachegelüste überwindet. Das war bis zum letzten Satz hervorragend geschildert. Und trotz den sensiblen und traurigen Themas behält der Text seine Leichtigkeit.
Überhaupt. Die Idee, mit einer von Free Earth unabhängigen Widerstandszelle auf amerikanischen Boden, gefiel mir ausgesprochen gut. Keiner der Autoren zuvor hat sich diesem Gedanken bedient und so realistisch umgesetzt. Denn warum sollten sich die Menschen, die noch vor wenigen Jahren in nationalistischer Kleinstaaterei gelebt haben, plötzlich einer gemeinsamen Widerstandsbewegung anschließen? Seien wir ehrlich, das Konzept einer unabhängigen aus Ex-Militärs bestehenden Gruppe wäre genau das, was passieren würde.
Und natürlich kam mir der Handlungsort Washington DC sehr entgegen. War ich doch bereits einmal dort und konnte mir die beschriebenen Orte gut vorstellen. Das ist schon clever ausgedacht. Denn gerade das Lincoln Memorial kennen viele von uns aus Filmen, und so muss man als Autor weniger Arbeit ins Setting stecken.
Der zweite Handlungszweig führt nach Hope, jener Kolonie auf New Earth, wo die terranische Flotte ihren geheimen Stützpunkt hat. Hier wurde mir zum ersten Mal bewusst, das Conrad Deringhouse erst fünfundzwanzig ist. Ich nahm immer an, er sein so alt wie Perry Rhodan, was mein Bild über den Charakter grundlegend verändert hat. Von jetzt an, ist es für mich der junge Mann, der gemeinsam mit einem Roboter joggen geht (was auf den Titelbild von Dirk Schulz schön visualisiert wurde).
Hier, wie auch in der ersten Handlungsebene führt der Autor zunächst die Figuren ein, bringt sie dem Leser nahe, bevor er das Tempo anzieht. Die Handlung ist am Ende auf beiden Ebenen so spannend, dass man nägelkauend mitfiebert. Das das friedliche Zusammenleben von Naats, Ferronen und Menschen in der Kolonie nur ein Trugbild ist und sich mit der Ankunft arkonidischer Gefangener beinahe eine Katastrophe entwickelt, ist an dieser Stelle überraschend, aber auch plausibel konzipiert. Da stimmt beinahe jedes Detail.
Man merkt dem Roman an, wie viel Sorgfalt und Herzblut zwischen den Zeilen steckt. Der Autor kennt sich im Perryversum und bei NEO gut aus. Manche Leser mögen das Fehlen der typischen Merkmale der Science Fiction wie kosmische Spielereien oder Raumschlachten bemängeln, weil es nur wenig SF-Elemente in der Handlung gibt. Beziehungsweise, diese nur den Rahmen der Geschichte bilden. Die Story käme auch ohne sie aus. Der »Sense of Wonder« stellt sich auf einer anderen Ebene ein, als man das als NEO-Leser gewohnt ist. Es ist der Kern der Geschichte, der berührt, sowie die Geradlinigkeit und Tiefe mit der sie erzählt wird, die mich gepackt hat. Für mich ist es einer der besten NEO-Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Dieses Erstlingswerk ist mehr als bemerkenswert. Ich prognostiziere: den Namen Kai Hirdt wird man in Zukunft sicher öfter hören und lesen.