Irgendwie fühle ich mich dieser Tage an alte DDR-Zeiten erinnert, wo sich alles um Gera oder Berlin drehte und der Spruch „…derweil Hinterlengenfeld die Tapete von den Wänden fällt“ zu einem geflügelten Wort wurde. Ich stelle fest, das sich trotz Föderalismus in 25 Jahren Bundesrepublik nichts geändert hat, nur die Namen wurden ausgetauscht. Wo sich früher alles um die Bezirkshauptstadt gedreht hat, dreht sich heute alles um die „Metropole“ Erfurt. Da wird gerafft was die Region hergibt, besonders, wenn es sich um Infrastruktur-Projekte handelt. Bereits 1994 wurde ein wahnwitziges Unternehmen gestartet, das sich ICE Hochgeschwindigkeitstrasse durch den Thüringer Wald nannte. Geld dafür war noch keines da, aber es wurde schon mal angefangen, parallel zur Thüringer Wald Autobahn. Und das weil: Warum nur an einem Mammut-Projekt bauen, wenn man fürs zehnfache Geld zwei bekommen kann. Zwischendurch wurde das Projekt von der Regierung Schröder gestoppt. Wahrscheinlich hat zum ersten mal jemand eine Kosten-Nutzen-Rechnung gemacht und unterm Strich festgestellt, das es viel zu teuer ist. Doch kaum war die schwarze Fraktion wieder am Zuge, schon haben die Erfurter Lobbyisten Rückenwind bekommen und konnten ihre Wünsche durchsetzen, gegen die Proteststimmen der anderen Thüringer Regionen.
Die Saalebahn (derzeitige Hauptstrecke zwischen Berlin und München) besteht seit der Jahrhundertwende zum 20.Jh. Selbst die Reparationsleistungen nach dem 2. Weltkrieg (Abbau des zweiten Gleises und der Elektrifizierung) und die Teilung Deutschlands hat die Strecke und somit auch die Region überleben lassen. 2017/2018 soll nun Schluss sein, denn dann ist das Erfurter Prestigeobjekt endlich fertig (nach 23 Jahren!) und dann rollen die Züge ohne Halt durch den Thüringer Wald. Einzig Erfurt wird noch an das Fernnetz der DB angeschlossen sein. Als einzige Thüringer Stadt wohlgemerkt, egal ob von West nach Ost oder von Nord nach Süd. Nicht nur die Region Ostthüringen wird dann wortwörtlich auf der Strecke bleiben.
Gestern lese ich hier, das wir schon 2016 in den Genuss der ICE-losen Zeit kommen. Sehr schön! Für mich als reinen Bahnfahrer eine Katastrophe. Noch vor wenigen Jahren, habe ich mit dem ICE für die Strecke Saalfeld-München ohne Umsteigen 2 Stunden und 50 Minuten gebraucht. Momentan sind es 4 Stunden (mit Umstieg in Nürnberg 3 Stunden 30 Minuten). Ich will nicht ausrechnen, wie lange ich ab 2016 unterwegs sein werde. Das nenne ich mal Fortschritt!
An die vielen Pendler aus der Region und die Betriebe, die zwangsläufig ihre Zelte abbrechen und ihre Steuergelder woanders bezahlen werden, mag ich gar nicht denken. Was der Region Saalfeld am Ende bleibt sind drei Autobahnen (A4, A9 und A71), von denen jede mindestens 50 km entfernt ist. Da kann man uns nur noch „Gute Nacht!“ wünschen.