Den Namen Alan Turing hörte ich erstmals während meines Studiums im Fach Theoretische Informatik, im Zusammenhang mit der Turing-Maschine. Das ist ein Modell, das die Arbeitsweise eines Computers auf mathematische Weise abbildet. Doch wer dieser Mann war und was er mit der Entschlüsselung der Enigma zu tun hat, erfuhr ich erst in dieser Woche, als ich den Film »The Imitation Game« sah.
1951 kommt es zu einem Einbruch in Turings Wohnung. Dem Detective kommt Turings Verhalten seltsam vor und er schnüffelt in dessen Vergangenheit herum, weil er glaubt, das Turing ein russischer Spion ist. Bei einem Verhör erzählt ihm Turing seine Geschichte.
1939. Der exzentrische Mathematiker Alan Turing bewirbt sich für ein geheimes Projekt der englischen Regierung. Zusammen mit anderen Experten auf dem Gebiet soll er den Code der deutschen Enigma entschlüsseln, um den Vorstoß der Deutschen im zweiten Weltkrieg zu stoppen. Doch Turing ist alles andere als ein Teamplayer. Mit seinem rüden Auftreten und seinen Einzelaktionen stößt er nicht nur bei den Kollegen an, sondern auch bei seinen Vorgesetzten. Keiner versteht, was in seinem Kopf vorgeht und was er mit seiner Arbeit bezweckt. Als man ihn feuern will, wendet er sich an den Premierminister und wird prompt zum Leiter des Forscherteams ernannt. Doch während er »erfolglos« vor sich hin tüftelt und seine Mitarbeiter auf konventionellen Weg zumindest Teile der Botschaften entschlüsseln können, sterben täglich hunderte von Soldaten und Zivilisten in einem mörderischen Krieg. Erst eine junge Frau (Joan Clarke), die er für sein Team rekrutieren konnte, bringt ihn auf neue Ideen. Sein Projekt eine Maschine, die jeden Code entschlüsseln kann, nimmt plötzlich Gestalt an, aber der Erfolg bleibt zunächst aus. Doch die strikten Moralvorstellungen dieser Zeit verbieten eine Zusammenarbeit zwischen Joan und ihm. Turing macht ihr kurzerhand einen Heiratsantrag, gesteht ihr aber später, das er homosexuell ist.
Kurz vor dem Durchbruch droht die Regierung damit, ihm das Projekt wegen Erfolglosigkeit zu entziehen. Und da hat Joan die rettende Idee. Mit dem, jeden Morgen von den deutschen gesendeten, Wetterbericht gelingt es ihnen, den Code der Enigma zu knacken. Der Erfolg ist jedoch zweischneidig, denn wenn jemand herausbekommen würde, dass die Engländer die Funksprüche der Deutschen abhören können, wäre all ihre Arbeit für umsonst. Unter dem Kommando des Mi6 berechnen Turing und sein Team fortan, auf welchen der Funksprüche die Alliierten statistisch gesehen reagieren dürfen, ohne dass der Gegner Verdacht schöpft. Turings Team bestimmt quasi über Leben und Tod.
Nach dem Ende des Krieges, müssen alle Unterlagen zum Projekt und die Maschine vernichtet werden. Auch die Wege der Teammitglieder trennen sich.
Während des Verhörs konfrontiert der Detective Turing mit der Aussage des Einbrechers. Der hat ein Geständnis darüber abgelegt, dass er mit Turing sexuelle Kontakte hatte. Turing wird wegen »grober Unzucht und sexueller Perversion« verurteilt. Um nicht ins Gefängnis zu müssen, stimmt er zu, sich einer Hormonbehandlung mit schweren Nebenwirkungen zu unterziehen. Joan Clarke besucht ihn und findet ihn als emotionales Wrack vor.
Wenig später nimmt sich Turing das Leben. Er stirbt mit 41 Jahren.
Die komplex aufgebaute Geschichte wird über mehrere Zeitebenen erzählt, die sich immer wieder einander abwechseln. Das Verhör mit dem Detektiv bildet die Rahmenhandlung. Man erfährt aber auch von Turings Jugend im Internat, bei dem er seinen besten Freund an Tuberkulose verlor. Nach ihm benennt Turing auch seine Maschine »Christopher«.
Der Film fesselt von der ersten Minute an. Neben der spannenden Geschichte ragt vor allem die Schauspielerische Leistung von Benedict Cumberbatch als Alan Turing heraus. Wie in seiner Rolle als »Sherlock« schafft er es, den eigensinnigen Mathematiker mit all seinen Macken glaubhaft darzustellen. Keira Knightley als Joan Clarke bildet dazu den passenden Widerpart und auch das restliche Schauspielensemble überzeugt.
Bemerkenswert war für mich die Beschreibung der damaligen Moralvorstellungen. Frauen durften nur in Frauenberufen arbeiten und mussten bei den Eltern leben, so lange sie nicht verheiratet waren. Auch die gnadenlose Verfolgung Homosexueller, die zu fragwürdigen Behandlungsmethoden gezwungen wurden, werfen einen dunklen Schatten auf die Zeitgeschichte. All das macht deutlich, dass die Genialität eines Individuums wie so oft engstirnigen Moralvorstellungen zum Opfer fällt, anstatt sie zum Wohle der Menschheit zu nutzen.
»The Imitation Game« ist ein sehenswerter Film, der die Verhältnisse während und nach dem zweiten Weltkrieg in England realistisch abzubilden versucht. Die spannende Geschichte hat nicht umsonst den Oscar für das beste Drehbuch gewonnen.