Zertifizierte »Solaristin«

Diese Woche war anstrengend. Ich hatte Mittwoch und Donnerstag ganztägig ein Online-Seminar beim TÜV Rheinland. Thema: Photovoltaik Basiswissen mit Prüfung. Ich bin jetzt quasi eine »Solaristin« und das nicht nur, weil wir zwei Balkonkraftwerke besitzen oder ich die Chefredakteurin der »SOL« bin.

Die Schulung begann am Mittwoch um 9 Uhr morgens und endete nach 17 Uhr. Ich war aber wie gewohnt schon Viertel nach 6 Uhr in der Firma. Meine normale Arbeit musste auch irgendwie getan werden. Jedenfalls war ich am Abend echt kaputt. So eine Videokonferenz den ganzen Tag schlaucht. Das Thema war interessant, auch wenn der Dozent nicht so ganz auf dem neuesten Stand war. Manche Fragen der Teilnehmer zu aktuellen technischen Entwicklungen konnte er erst im Nachgang beantworten, und mit dem Video-Chat-Programm kam er auch nicht so richtig zurecht. Wobei ich gar nicht wusste, das Adobe inzwischen auch so ein Online-Konferenz-Tool hat. Zumindest weiß ich jetzt wie »Adobe Connect« funktioniert.

Das Skript der Vorlesung hatte 275 Seiten (Power Point-Folien), alle sehr informativ, und es konnte heruntergeladen werden. Ich habe es mir altmodischerweise ausgedruckt und Notizen darauf gemacht. Es steckt jetzt in meinem Seminarordner, den ich immer heraushole, wenn ich was nachschlagen muss. Ja, ich weiß, dass kann man auch im PDF, aber ich notiere halt auf Papier schneller etwas, als ich es ins PDF getippt habe. Es war noch aus einer zweiten Sicht von Vorteil, man durfte das Skript nämlich bei der Prüfung verwenden. Da man aber nur einen Monitor anhaben durfte, hätte ich immer die Fenster hin und her wechseln müssen. So hatte ich den Ordner vor mir und blätterte darin herum.

Am zweiten Seminartag hatte ich am späten Nachmittag die Prüfung zu absolvieren. Das fand ich technisch recht kompliziert. Zuerst musste man sich Tage vorher auf einer Prüfungsplattform anmelden, anschließend musste man die App »AlfaView« installieren. Im Chat von »Adobe Connect« bekam man dann einen Link, mittels dem man zu »AlfaView« wechseln konnte. Hier warteten diverse Mitarbeiter des TÜVs, die die Prüflinge beaufsichtigen sollten. Man wurde gebeten in einen Gruppenraum einzutreten. Dort war man mit einem der Prüfer allein. Dem musste man den Personalausweis zeigen, also vor die Webcam halten. (Ich habe normalerweise keine WebCam am Rechner, mein Kollege war aber so nett und hat mir seine ausgeliehen.) Anschließend wurde man aufgefordert, einem Link zu folgen, der zur Prüfungsplattform führte (für die man sich angemeldet hatte). Wenn man dort auf die angezeigte Prüfung klickte, musste man sich mit einem Codewort identifizieren, das bekam man von dem Prüfer aus dem Gruppenraum genannt. Nach der Eingabe öffnete sich dann der Fragenkatalog mit den Prüfungsfragen.

Bei den 30 Fragen war immer nur eine Antwort der drei angebotenen Antworten richtig. Man musste also die richtige Antwort markieren und »weiter« klicken. Die Fragen bezogen sich auf das Skript, waren aber geschickt gestellt. Man hatte zwar 60 Minuten Zeit, aber ich war nach 30 Minuten fertig, nutzte jedoch die nächsten 15 Minuten, um die Fragen noch zwei Mal durchzugehen. Um sicher zu gehen, schlug ich die eine oder andere Antwort noch mal nach, ob ich das richtig im Kopf gehabt hatte. Es war nicht so einfach, die richtigen Antworten in dem Skript zu finden, weil sich die Fragen nicht nach der Reihenfolge der Kapitel im Skript richteten. Bei zwei Fragen war ich unsicher. Die hatten wir zwar kurz angesprochen, aber ich hatte mir dazu keine Notiz gemacht. Für die eine fand ich die richtige Antwort. Bei der anderen habe ich einfach das genommen, was mir logisch erschien. Ich hoffe auch, dass ich jede Frage richtig interpretiert habe. Bei den Formulierungen musste man teilweise echt um die Ecke denken.

Zum Schluss klickte ich auf den Button »Prüfung beenden«. Ich bekam angezeigt, dass ich bestanden hatte, aber nicht die erreichte Punktzahl. 21 Punkte musste man für das Bestehen der Prüfung erreichen, wie viele ich hatte, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass erfahre ich, wenn man mir das Zertifikat zusendet. Damit ist es offiziell, dass ich mich mit Photovoltaik-Anlagen auskenne. Was ich doof fand, war, dass es keine Abschlussrunde und keine Verabschiedung gab. Man loggte sich nach der Prüfung einfach aus und das war’s dann. »Adobe Connect« hatte man zuvor schon schließen müssen, als man zu »AlfaView« gewechselt ist, sonst gab es lästige Audio-Rückkopplungen.

Der Dozent hatte mit uns am frühen Nachmittag übrigens noch eine Rechenaufgabe gelöst. Er zeige, wie man die Ströme und Spannungen der Module und Wechselrichter berechnet, um die passende Kombination zu finden und mit der man den optimalsten Ertrag erhält. Es gibt dazu zwar Computerprogramme, die das simulieren. Ich nutze auf Arbeit zum Beispiel »Polysun«. Aber ich finde es wichtig, dass man weiß, welcher Algorithmus hinter der Software steckt. Einfach um zu überprüfen, ob das Ergebnis der Simulation auch stichhaltig ist.

Zwei Grafiken aus dem Skript möchte ich hier mal zeigen.

Diagramm 1

Diagramm 1 zeigt den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland seit Verabschiedung des Erneuerbare Energiegesetz im Jahr 2000. Die Zuwächse in den Nullerjahren waren gewaltig. Auf dem Höhepunkt in den Jahren 2010 bis 2012 war Deutschland Weltmeister in der Forschung und Herstellung von Photovoltaik-Modulen und bei Aufbau von Anlagen. 2012 wurde das Gesetz zugunsten einer konservativen Energiepolitik geändert. Die Preise für die Einspeisung von Strom wurden massiv verringert und dafür ein Netzentgelt eingeführt. Die Besitzer einer PV-Anlage bekamen weniger Geld für ihren Strom und mussten zusätzlich noch Netzentgelt bezahlen. Das würgte den Markt fast komplett ab. Der Absturz von 2012 auf 2014 kostete in Deutschland übrigens zwischen 80.000 und 100.000 Stellen in der Solarbranche. (Man vergleiche den Aufschrei wegen den 8000 Kohlekumpels in der Steinkohle-Industrie, die abgebaut werden sollten.) Viele Firmen gingen Pleite und man überließ den Chinesen das Geschäft. Heute kommen 85% aller PV-Module, die in Deutschland montiert werden aus China.

Diagramm 2 zeigt die Entwicklung bis 2030. Jeder Balken steht für ein Jahr. Unsere Regierung hat sich als Ziel gesetzt bis dahin 300 Gigawatt Energie aus Photovoltaik zu erzeugen. Wäre die Entwicklung 2012 nicht abgewürgt worden, wäre nun nur ein jährlicher Zuwachs von 1,27 Prozent notwenig, um das Ziel zu erreichen. So müssen wir nun einen jährlichen Zuwachs von 22 Prozent hinbekommen, um die gewünschte Zahl zu erreichen. Was aus praktischen Gründen momentan kaum zu schaffen ist. Nicht bei dem derzeitigen Personal- und Rohstoffmangel und den bürokratischen Hürden. Durch die gestiegenen Strompreise rechnet es sich für Besitzer von Eigenheimen, weil sie durch den Eigenverbrauch ihre Stromkosten drücken können. Aber für Mieter und Bewohner von Mehrfamilienhäusern bleibt es schwierig. Mieterstrommodelle sind momentan so kompliziert und bürokratisch, dass kaum jemand sie umsetzt.

Die Diagramme stammen von der Webseite: Energy-charts.info vom Fraunhofer-Institut und können dort nachvollzogen werden.