Es ist traurig. Als bekennender E-Autofahrer sieht man sich in letzter Zeit häufiger Anfeindungen ausgesetzt. Man muss sich dafür rechtfertigen, dass man ein E-Auto fährt und daran auch noch Spaß hat.
Da werden die wildesten Vorurteile vorgebracht. Zum Beispiel, dass man mit einem E-Auto die Umwelt viel mehr schädigen würde, wegen der Akkus. Weil die so viel Strom brauchen, dass uns deswegen noch der Strom ausgehen wird. Oder dass man daran schuld sei, wenn Kinder in Afrika in den Kobalt-Minen mit den Fingern das Erz für den Akku aus dem Fels kratzen müssen oder, dass man in vollem Bewusstsein eine Brandbombe in der Tiefgarage parkt. Und außerdem sind E-Autos für Langstrecken total ungeeignet, weil die so oft geladen werden müssen und überhaupt ist so ein Elektroauto absolut unpraktisch usw.
Wir fahren unseren ID3 jetzt seit Februar und wenn man uns fragt, möchten, sowohl mein Mann als auch ich, kein anderes Auto mehr. Ich gebe zu, ich hatte anfangs ebenfalls meine Zweifel, aber ich bin inzwischen überzeugt, dass der Kauf eine sehr gute Idee war. Auf dem Tacho stehen inzwischen 11000 gefahrene Kilometer. Wir hatten in der ganzen Zeit nie Probleme eine Ladesäule zu finden, oder das dieselbige nicht funktioniert hätte. An der Ladesäule der Gemeinde, an der wir das Auto regelmäßig laden, wurde es zwar im Sommer oftmals eng, wegen der vielen Urlauber und weil das Laden dort kostenlos ist. Auf den Autobahnfahrten aber hatten wir keinerlei Einschränkungen und die Fahrt ist deutlich entspannter.
Was die Vorurteile der Leute angeht: Entgegen den Vorstellungen, die manch einer hat, brauchen E-Autos nur einen Bruchteil des Stroms, den zum Beispiel die Industrie und die Haushalte benötigen. Selbst wenn wir alle Autos in E-Autos umwandeln würden, wäre der Anteil am gesamten Strombedarf immer noch gering. Die meiste Energie in Deutschland geht für Industrie und Heizung drauf.
Dennoch wird die Umstellung auf E-Mobilität nicht von heute auf morgen funktionieren. Selbst wenn wir genug Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, wir bekommen ihn meist nicht dorthin, wo er gebraucht wird, weil es an der Infrastruktur hapert. Hier wurde über viele Jahre einfach nicht genug getan. Sei es weil wegen Profitgier kein Geld in das Netztinvestiert wurde oder weil Leute gegen Stromtrassen, Windräder und Solarparks geklagt haben.
Was die in den Akkus verbauten Materialien angeht. Kobalt steckt auch in jedem Smartphone, das sollte sich jeder klar machen, der sich jedes Jahr ein neues Smartphone leistet. Ich bin sicher, dass es sehr viel mehr Smartphones auf der Welt gibt als Akkus für E-Autos. Wenn sich die Leute ein Smartphone oder ein anderes technisches Gerät kaufen, denkt auch kaum einer dran, dass für die seltenen Erden, die in dem Gerät stecken, vielleicht Menschen gestorben sind. Was das Lithium angeht, was momentan meist aus Südamerika stammt, so ist wegen der Nachfrage der Preis inzwischen so gestiegen, dass sich eine Gewinnung des Rohstoffs inzwischen auch in Deutschland lohnt. Momentan wird daran gearbeitet, dem Thermalwasser, das für geothermische Zwecke an die Oberfläche gepumpt wird, das Lithium zu entziehen. Thermalwasser ist sehr reich an Lithium und die Pumpanlagen überall bereits vorhanden.
Reichweite: In den nächsten Jahren werden Feststoffakkus serienreif werden. Diese enthalten dann keine seltenen Erden mehr, können schneller geladen werden und sind kälteunempfindlicher. Das heißt, die Technologie entwickelt sich ständig weiter, weil jetzt auch der Druck da ist. Selbst bestehende Autos können durch Firmware-Updates höhere Reichweiten erreichen, wie wir selbst feststellen konnten.
Brandgefahr: Die Allianz Versicherung hat eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben, in der unteranderem untersucht wurde, ob E-Fahrzeuge häufiger brennen. Nein, sie brennen nicht häufiger, sondern eher seltener als normale Fahrzeuge. Jedes Jahr brennen in Deutschland ca. 15.000 Autos mit Verbrennermotor, darüber berichtet kaum jemand. Ja, E-Autos sind schwerer zu löschen, wegen des Wiederentzünden des Akkus. Bisher wurden die Autos in einen Wassercontainer gesteckt, inzwischen werden sie in eine spezielle Folie gesteckt. Bei neuen Technologien sind die Menschen immer skeptisch und suchen Argumente, um sie zu verhindern. Würde man zum Beispiel heute den Verbrennungsmotor erfinden, bekäme er keine Zulassung. Übrigens, laut Feuerwehr sind Flüssiggas-Autos sehr viel gefährlicher.
Laden: An den Autobahnen existiert bereits ein funktionierendes Schnellladenetz. Mit einem bisschen Aufmerksamkeit wird man dort nicht stranden. Auch in den Städten, vor allem in den Großstädten gibt es ein dichtes Ladenetz, das oftmals sogar kostenlos ist, zum Beispiel bei Supermärkten und FastFood-Restaurants. Probleme gibt es vor allem auf dem Land. Hier sind die Gemeinden gefordert, denn so eine Ladesäule kann auch eine Einnahmequelle sein. Durch die KfW-Förderung in diesem Jahr gab es einen wahren Boom bei den Wallboxen. Ganz viele Privatleute haben sich eine Wallbox angeschafft, obwohl sie noch kein E-Auto haben. Meist haben sie sich aber kurze Zeit später eins gekauft.
Ich bin mir sicher, dass sich E-Autos in den nächsten Jahren sehr viel schneller verbreiten werden, als viele denken. Schon allein, weil die Hersteller inzwischen das Potenzial erkannt haben und sicher nicht zwei Antriebssysteme parallel entwickeln und bauen werden. Die ersten haben schon ihren Ausstieg aus der Verbrennertechnologie bekannt gegeben. Die Vorurteile werden bald der Vergangenheit angehören und man wird sich nicht mehr rechtfertigen müssen. Und die Städte werden früher oder später ebenfalls vorangehen und Autos mit Verbrennungsmotoren verbieten.
Einen ersten persönlichen Sieg gegen die Vorurteile unserer Mitbewohner haben wir schon davon getragen. Nach Beratung durch zwei Anwälte habe ich eine fünfseitige Erklärung an die Hausverwaltung und die Eigentümergemeinschaft geschrieben, wegen der Wallbox, die wir in der Tiefgarage installieren lassen wollten. Was man uns untersagen wollte. Am Donnerstag fand eine erneute Eigentümerversammlung statt und wir haben Recht bekommen. Wir dürfen die Wallbox einbauen lassen und unser Auto dann endlich von unserem eigenen Stromzähler aus laden.