Seit einem Jahr beobachte ich zunehmend eine besorgniserregende Entwicklung. Gute Freunde, enge Verwandte und geschätzte Menschen, die ich schon lange kenne, verändern sich. Sie scheinen sich nach und nach in jemand anderen zu verwandeln. Ich erkenne sie oftmals nicht wieder, in dem was sie sagen oder tun. Plötzlich verstehe ich sie nicht mehr, denn da wo zuvor Einigkeit war, macht sich Uneinigkeit breit. Ich spüre Ablehnung und Mistrauen. Sie werden mir fremd und ich kann nichts dagegen tun. Noch schlimmer, es macht mich traurig und wütend zugleich. Ich möchte es ihnen von Angesicht zu Angesicht sagen, doch das geht nicht, also schweige ich und wende mich von ihnen ab.
Gemeinsamkeit wird zu Einsamkeit. Wir driften auseinander wie Eisschollen auf einem dunklen kalten Meer. Wir entfernen uns nicht nur körperlich voneinander, sondern vor allem in unseren Gedanken. Das Schlimme daran ist, dass ich nicht festzustellen vermag, ob ich es bin, die sich verändert oder die anderen. Das macht mir Angst.
Ich fürchte, selbst wenn das irgendwann vorbei sein sollte, werden die Risse bleiben. Ich werde diese Menschen nie wieder so sehen können, wie sie einmal waren und sie mich wahrscheinlich ebenfalls. Das Vertrauen wieder aufzubauen, wird schwer werden, wenn nicht gar unmöglich.
Wenn mich die letzten Monate eines gelehrt haben, dann dass wir im Angesicht der Angst nicht zueinanderstehen, sondern im Gegenteil wir uns voneinander entfernen. Das Prinzip Angst treibt die Gemeinschaft immer weiter auseinander, sie zerfällt in immer kleinere Teile. Und jeder von uns steht daneben und hilft mit, aus Angst vor den anderen und auch aus Angst vor uns selbst. Irgendwann werden wir uns die Frage beantworten müssen, wie wir das zulassen konnten.
Vielleicht sollten wir uns der Angst stellen, auch wenn die Angst jeden Tag aufs Neue in uns genährt wird. Vielleicht sollten wir uns lieber dem Prinzip Hoffnung verschreiben, selbst wenn es noch so unmöglich erscheint.
Das Prinzip Hoffnung hab ich mir ja auf die Fahne geschrieben.Angst habe ich keine. Ich befinde mich eher in einer Warteschleife, bis wir endlich geimpft sind.
Ich habe zwar auch festgestellt, dass ich mich von einigen Leuten entfernt habe, aber bei anderen Leuten ist genau das Gegenteil passiert. Im Grunde waren Unterschiede oder Gemeinsamkeiten vorher schon da, haben sich aber in den letzten Monaten verstärkt, weil man priorisieren musste.Das ist aber okay.
Angst lähmt. Ich kann die zwar auch nicht ganz ausschalten, mir aber immer wieder bewusst machen, dass sie häufig unbegründet ist und mir eigentlich in erster Linie schadet. Da fokussier ich mich dann wieder auf das Prinzip Hoffnung. Meistens funktioniert das, aber nicht immer.
Das Problem ist, dass viele Leute, wenn man persönlich mit ihnen redet, eine ganz andere Meinung vertreten als in der Öffentlichkeit. Diese Tatsache finde ich noch beängstigender, weil es mich sehr an meine Kindheit in der DDR erinnerte. Da musste man in der Schule auch etwas anderes sagen als zu Hause und anders reden, als man wirklich gedacht hat. Viele Menschen trauen sich nicht mehr Kritik zu üben und schotten sich deshalb ab, weil sie Angst haben, dass jeder Andersdenkende ihnen Schaden zufügen könnte. Es ist das Traurige an der Situation, dass jeder Witz und jede humorvolle Äußerung genauestens abgeklopft und im Zweifelsfall gegen einen verwendet wird. Statt die Angst mit Humor zu bekämpfen, wie es immer war, machen wir uns gegenseitig noch mehr Angst. Und das wird auch nicht aufhören, wenn wir geimpft sind. Das Trauma wird, so glaube ich, bleiben. Denn selbst wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist (ich schätze mal ca. 2025), wird die Sensibiliät bestehen bleiben. Das löst sich erst wieder in der nächsten Generation.
Schlimm, wenn du diese Erfahrung machst. In meinem Umfeld kann ich das aber nicht bestätigen.
Bestimmte Äußerungen kommentiere ich nicht (mehr) und manche Themen bringe ich von mir aus nicht zur Sprache oder – wenn andere es tun – halte mich aus Diskussionen komplett heraus. Klingt blöd, hilft aber enorm.
Das ist das, was ich meine. Man hält lieber einfach den Mund. Es erinnert mich fatal an die meine Kindheit in der DDR und nicht nur mich. Fast jedem, den ich von dort kenne, geht es genauso.
Ich dachte, wir hätten das überwunden.
Ja, ich finde das auch schlimm. Mein Seelenfrieden ist mir aber wichtiger als die Diskussionskultur :)
Im Ernst: Ich merke natürlich sehr schnell, mit wem man (noch) vernünftig reden kann und mit wem nicht. Je nachdem endet ein Gespräch sehr schnell bzw. das Thema wird gewechselt – oder es wird heiß, aber freundschaftlich diskutiert.
Der Unterschied zur DDR ist aber, dass einem in der DDR handfeste und teils willkürliche Sanktionen drohten. Mein Onkel z.B. durfte nicht studieren.
Bei uns hat man nur keine Lust auf Diskussionen, was ich aber in Ordnung finde. Sanktionen gibt es kaum, außer man verhält sich tatsächlich strafrechtlich oder verfassungsrechtlich daneben.
Autoren, deren Verlagsverträge gekündigt werden, wegen diverser Äußerungen in Foren oder den Sozialen Medien, werden dir da widersprechen.
Und wenn man in dieser Branche einmal den Stempel abbekommen hat, dem wird es als Künstler verdammt schwerfallen neue Aufträge zu bekommen. Vielen bleibt dann nur, schlechte minderbezahlte Jobs anzunehmen, um zu überleben.
Staatsbeamte in Ämtern werden nur versetzt, aber auch dass ist eine Form von Sanktionen, die es in einem freiheitlichen Staat wie der Bundesrepublik nicht geben sollte.
Der Unterschied zur DDR ist: man kann dagegen klagen, aber nur wenn man die notwendigen Mittel dazu hat.
Aber ein Verlag ist ein Unternehmen, das seine eigenen Regeln hat. Ich muss meinen Arbeitgeber nach außen hin auch entsprechend vertreten und würde Schwierigkeiten bekommen, wenn ich mich da nicht an meinen Vertrag halte, den ich unterschrieben habe. Es gibt auch Verlage unterschiedlicher Couleur, z.B. der K*pp-Verlag, bei dem ich sicher nie ein Buch kaufen würde. Aber der hat sein Klientel, und wenn der Autor in diese Richtung denkt, dann wäre er dort aufgehoben. Wenn er dann schlechter verdient, dann meines Erachtens, weil er eben eine geringere Leserschaft anspricht.
Bei Staatsbeamteten wünschte ich mir manchmal, dass sie entlassen werden könnten bei entsprechendem Fehlverhalten.
Aber dass man die notwendigen Mittel braucht, um sein Recht durchzusetzen, da muss ich dir leider Recht geben. Das ist ein Manko. Nicht jeder kann in den Genuss von Prozesskostenhilfe kommen, aber da gibt es zumindest einzelne Beispiele, dass Klagen von Harz-IV-Empfängern erfolgreich waren. Da ich im Rechtssektor arbeite, sehe ich das aber auch ein wenig anders. Denn man kann sich auch ohne Anwalt wehren, da der Klageweg normalerweise die letzte Möglichkeit ist, sein Recht durchzusetzen. Und das habe ich in der Vergangenheit auch mehrfach erfolgreicht getan, allerdings muss man dafür natürlich ein klein wenig von Recht verstehen und entsprechend deutsch schreiben können.
> Bei Staatsbeamteten wünschte ich mir manchmal, dass sie entlassen werden könnten bei entsprechendem Fehlverhalten.
Vor allem Minister, die Staatsgelder zum Fenster rauswerfen und dafür nicht persönlich zur Rechenschaft gezogen, oder nicht mal zum Rücktritt aufgefordert werden.
Zumindest dabei sind wir uns einig.