Auf dem Bau gibts kein Corona

Meine Hoffnung, dass sich mit dem Jahreswechsel die angespannte Lage in meinem Job legt, ist nach einem Monat im neuen Jahr geschwunden. Nicht nur, dass es so chaotisch weiterläuft, auch die Leute werden immer irrer.

Während andere im Homeoffice sitzen oder Kurzarbeit schieben, arbeiten meine Kollegen draußen an der Front. Die Baustellen gehen weiter, müssen weitergehen, allen Corona-Beschränkungen zum Trotz. »Systemrelevant« heißt das Zauberwort. Dabei treiben vor allem die Baufirmen die Baustellen voran. Kaum liegt kein ganzer Meter Schnee mehr, scharren sie schon mit den Hufen und treiben die Handwerker und Planer vor sich her. Dabei wird übersehen, dass die Bauherren, also die Leute, die dann später mal in die Häuser und Wohnungen ziehen, weder in ein Küchenstudio noch in eine Badausstellung der Großhändler gehen können, um sich beraten zu lassen. Ich versuche, so viel wie möglich telefonisch zu klären, aber das geht leider nicht immer. Manche Dinge kann man nicht über eine Telefonleitung zeigen.

Schneller, höher, größer! Noch ein Haus und noch eins und noch eins. Die Zinsen sind niedrig, die Reichen haben Geld. (Wer arm ist, kann es sich ohnehin nicht leisten, zu bauen.) Die Bauherren können sich nicht entscheiden, was sie wollen, zögern vieles hinaus, erwarten dann aber, dass alles sofort und gleich fertig ist, wie bei Amazon. Dabei sind die Angestellten der Großhändler im Homeoffice oder in Kurzarbeit und nur bedingt zu erreichen. Von den Lieferschwierigkeiten will ich gar nicht erst anfangen. Wenn ich auf das Angebot für eine Leuchte schon vier Wochen warten muss, wie lange warte ich dann erst auf die Leuchte selbst.

Die Leidtragenden sind immer die Handwerker, die ihre Gesundheit riskieren, weil … Maskenpflicht hin oder her. Bei dem Wetter gibt es in den Rohbauten meist nur einen beheizten Raum, in dem man sein Frühstück einnehmen kann. Den Büroangestellten der Handwerksbetriebe wird übrigens nahegelegt, möglich nicht ins Homeoffice zu wechseln, aus Solidarität den Angestellten gegenüber, die raus auf die Baustellen müssen.

Vielleicht würde man die Inzidenz runter bekommen, wenn man einfach mal für drei Wochen die Baustellen im Land dicht macht. (Über die Feiertage und im Januar wäre eine gute Zeit dafür gewesen.) Die meisten Baustellen sind nicht systemrelevant. Krankenhäuser und Infrastruktur nehme ich mal aus, aber der Häuslebauer kann es verkraften, wenn sein Häuschen ein bisschen später fertig wird. Und die Planer hätten endlich wieder mehr Zeit, um richtig zu planen. Denn momentan habe ich den Eindruck: es wird erst gebaut und dann geplant. Das dann vieles schief geht, braucht eigentlich keinen zu wundern.