PERRY RHODAN NEO Band 234 – »Die Himalaya-Bombe« von Rüdiger Schäfer
Liduuri-Expertin Hannah Stein wird von ihrer ehemaligen Studienbekanntschaft Thomas Rhodan-da Zoltral aus ihrem beschaulichen Leben gerissen. Die Otto-Normalbürgerin aus Köln soll in geheimer Mission versuchen, eine Bombe der Liduuri zu entschärfen, welche die Chinesen im Himalaya entdeckt und versehentlich aktiviert haben.
Was folgt, ist eine abenteuerliche Expedition in eine Liduuri-Station, die Hannah in vielerlei Hinsicht an ihre Grenzen bringt. Rhodans Söhne, Reginald Bulls Töchter und eine Angehörige des Chinesischen Geheimdienstes versuchen Hannah vor allen Gefahren zu schützen, was ihnen aber nur bedingt gelingt. Denn die Stationspositronik findet Gefallen am Intellekt der Wissenschaftlerin. Die ist jedoch von der Situation völlig überfordert.
Wird es Hannah gelingen, die Positronik zu überreden, die Bombe zu entschärfen und den Tod von 15 Milliarden ahnungslosen Menschen zu verhindern? Hannahs heimliche Zuneigung zu Thomas Rhodan macht die Sache nicht unbedingt einfacher.
Einen Roman zu schreiben, den auch jemand lesen kann, der PERRY RHODAN NEO nicht kennt – nichts weniger als das wünschte sich die Redaktion vom Exposéautor. Das dem Autor dies gelungen ist, steht außer Frage. Rüdiger Schäfer kann aus dem Vollen schöpfen und seine Stärken ausspielen. Die liegen in der Charakterisierung und dem Zusammenspiel der Figuren. Kein anderer NEO-Autor – außer vielleicht Oliver Plaschka – bekommt das so gut hin wie Rüdiger Schäfer.
Seine Hannah Stein ist lebensnah beschrieben, voller Schwächen und so wunderbar normal, dass ich mich gut in sie hineinversetzen kann. So manche Szene aus Hannahs Leben hat man selbst schon Mal erlebt, hat die gleichen Gedanken gehegt und ähnlich Empfindungen gefühlt. Die zarte Bindung zwischen ihr und Thomas Rhodan fühlt sich gut und echt an. Manch hartgesottenem Perryfan werden das vielleicht zu viele Emotionen sein. Ich dagegen schwelgte und verheulte eine ganze Packung Taschentücher.
Darüberhinaus ist die Geschichte spannend geschildert und wartet mit einer überraschenden Lösung auf. Eine Positronik mit Bewusstseinsspaltung – auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Das ist zudem sehr logisch und nachvollziehbar erklärt. Fakten aus den vorangegangenen Staffeln werden an dieser Stelle schön zusammengeführt. Dem Gelegenheitsleser wird das nicht auffallen. Den NEO-Fan freut es, mit welchem Engagement der Autor versucht, die Fäden aus mehr als zweihundert Bänden zu verknüpfen.
Es ist genau die Art von Romanen, die ich bei NEO gern lese und für die ich die Serie so schätze. Da werden keine Raumschlachten geführt, keine kosmischen Verwicklungen beschrieben, sondern bodenständig vom Leben auf der Erde einer nahen Zukunft erzählt. Wenn auch das Leben dort nicht so perfekt klingt, wie man das von positiven Utopien, wie zum Beispiel von Star Trek, gewöhnt ist, erscheint es mir realistisch, wie sich der Autor die Zukunft vorgestellt hat. Wobei ich schwer hoffe, dass die männliche Dominanz in Gremien und Unis bis dahin verschwunden sein wird und Gesundheitssysteme nicht mehr nach dem Einkommen von Patienten unterscheiden.
Allerdings hat mich ein Gedanke beim Lesen des Romans nicht losgelassen, nämlich die Frage: Warum kontaktiert Reginald Bull oder die Administratorin nicht Atlan bzw. Mirona Thetin? Gibt es keinen Botschafter mehr in Andromeda? Sind die beiden nicht ohnehin noch in der Milchstrasse unterwegs? Mal davon abgesehen, dass sie für das Problem wahrscheinlich keine Lösung parat gehabt hätten, wäre eine kurze Andeutung, ob oder warum das nicht in Erwägung gezogen wurde, ganz schön gewesen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
»Die Himalaya-Bombe« ist ein lesenswerter Roman und zwar nicht nur für NEO-Leser, sondern auch für jene, die sich nicht mit PERRY RHODAN NEO auskennen. Mir hat er so gut gefallen, dass ich ihn sicher, noch ein zweites Mal lesen werde. Mein Dank richtete sich an den PERRY RHODAN-Redakteur für die Idee und an den Autor für die perfekte Umsetzung.
Der Roman erschien mit zwei unterschiedlichen Covern. Wobei das von Köln nur in einer begrenzten Auflage und zu einem höheren Preis im Online-Shop von PERRY RHODAN zur Verfügung steht.
Es ist wohl wenig überraschend das „Die Himalaya-Bome“ auch für mich zu der Art Roman gehört, die ich besonders an der Serie schätze. Romane, die stark auf der Beziehungsebene funktionieren (welcher Art von Beziehung auch immer), sind für mich das Salz in der Suppe. Und ich denke noch nicht mal, dass Leser, die diesen Aspekt nicht besonders schätzen, hier viel Raum für Beschwerde haben. Vielmehr denke ich, dass Schäfer da eine sehr schöne Balance gefunden hat: Bis zu den letzten beiden Kapiteln ist die Thematik der Gefühle Hannahs für Thomas zwar irgendwie unterschwellig ständig da, aber wird doch nur sehr kurz angerissen (Show, don’t tell!).
Ebenso gelungen fand ich die Balance zwischen „für den Neu/Nicht-Neo-Leser geschrieben“ und „für den Langleser angenehm zu lesen“ – obwohl ich mittlerweile wohl als Langleser gelten darf (und als PP-Neo-Editor vielleicht noch tiefer drinstecke), fand ich die Erklärungen von Hintergründen an keiner Stelle zu ausufernd oder langweilig.
Und, um ein Thema draus zu machen: Auch die Balance zwischen „Utopie“ und „realistischer Voraussage“ ist gelungen, fand ich (wie eigentlich generell in Neo, siehe: Grunner, etc.). „Demenz ist mittlerweile heilbar“ sagt Thomas Rhodan. Nicht: „Auf Mimas kann man vielleicht was Experimentelles probieren.“ Aber Demenz ist eben nur heilbar, wenn man reich oder wichtig genug ist; der breiten Bevölkerung stehen die Heilmethoden nicht zur Verfügung. Die Tatsache, dass Thomas dann dafür sorgen kann, dass Hannah Steins Mutter auf Mimas behandelt wird, macht es fast noch schlimmer: Es ist ist nicht so, dass die Resourcen auf Mimas so aufwendig/teuer sind, dass sie nur Leuten zugute kommen können, die extrem wichtig sind (Administratoren, Protektoren, etc.). Es reicht schon, wenn man die richtigen Verbindungen hat.
(Dass die Dominanz von alten Männern mit rückständigen Ansichten in den Universitätsgremien in 70 Jahren überwunden sein wird – zwischenzeitlicher Technologie-Sprung oder nicht – halte ich als jemand, der beruflich im deutschen Universitätssystem unterwegs ist, für unwahrscheinlich. Vielleicht würde das in einer neu gegründeten „Akademia Terrania“ funktionieren, aber an einer deutschen Hochschule? Eher nicht.)
Zu Atlan und Mirona Thetin: Selbst wenn Thetin noch bei Atlan im Arkon-System ist, könnte sie wohl kaum rechtzeitig im Solsystem sein (vergleiche: Die MAGELLAN und CREST II brauchten so etwa zwei Wochen für die Reise). Da der Roman ganz aus Hannah Steins Sicht erzählt ist, kann es außerdem auch gut sein, dass Reg &co versucht haben, Thetin per Hyperfunk zu kontaktieren, aber gescheitert sind.
Wenn ich etwas unrealistisch fand, dann war es, wie involviert Thomas und Farouq schon wieder waren, obwohl sie doch „nur“ GHOST-Agenten sind. Und noch mehr: Thomas verschwendet über 12 Stunden, weil Stein seine Anrufe mit unterdrückter Nummer nicht annimmt. Und das obwohl es nur 90-100 Stunden bis zur vollständigen Zerstörung des Planeten ist. Warum schickt er keinen GHOST-Agenten aus Deutschland in Steins Büro? Oder schickt Stein eine Textnachricht „Hi, hier ist deine berühmte Studienbekanntschaft, nimm‘ mal ab, mkay?“ Oder lässt NATHAN einfach eine Verbindung zu ihr schalten, ob sie will oder nicht? Egal, bei dem gegebenen Zeitdruck sollte es andere Möglichkeiten geben als „Ich rufe jetzt mal alle paar Stunden an, irgendwann nimmt sie bestimmt ab“).
Kleinigkeiten, selbstverfreilich. Insgesamt ein wunderbarer Roman.