PERRY RHODAN NEO Band 219 – »Callibsos Weg« von Rüdiger Schäfer
Nach dem Durchgang durch den Zeitbrunnen findet sich Perry Rhodan an einem unbekannten Ort wieder. Hier erwartet ihn Callibso. Der Zwerg hatte jahrzehntelang versucht Perry Rhodans Aufbruch zu den Sternen zu verhindern und dazu sogar Perrys Mutter umgebracht.
Callibso scheint jede Minute zu altern und bittet Rhodan ihm zuzuhören, da ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Er erzählt Rhodan seine Lebensgeschichte: wie er als Junge zum Priester gewählt und ausgebildet wurde; wie er sich verliebte und bei einem Kampf in einen Zeitbrunnen fiel. In dem dahinterliegenden Quantenraum erwartete ihn sein zukünftiger Lehrmeister Välfouerr. Ein rätselhafter Außerirdischer, der ihn in die Geheimnisse der Zeitbrunnen und des Universums einweihte. Callibso lernte Zeitlinien zu manipulieren, um potentielle Zukünfte zu verhindern. Wer seine und Välfouerrs Auftraggeber waren, erfuhr er nie.
Er beschreibt, wie das Universum entstand und wie es enden wird, warum ANDROS und ES ihr kosmisches Schachspiel ausfochten und warum das Dunkelleben als Überbleibsel eines vorangegangenen Universums eine Gefahr darstellt. Dann stirbt Callibso an temporaler Nekrose, weil er sich zu lange im Quantenraum aufgehalten hat. Rhodan kehrt durch den Zeitbrunnen zurück. Sein Zellaktivator ist verschwunden. Doch der Quantenraum hat ihn vom Dunkelleben befreit und seinen Alterungsprozess gestoppt, da er wie Callibso ein Zeitträger ist.
Wow! Die ganzen Informationen, die im Roman vermittelt werden, muss man erstmal verdauen. Eigentlich bin ich kein Freund von Exposition, aber so geschickt, wie Rüdiger Schäfer das in Band 219 macht, davor ziehe ich den Hut. Er erzählt Callibsos Lebensgeschichte so berührend und lebensnah, dass man ihm verzeiht, dass der Roman so gut wie ohne Handlung auskommt.
Callibso avanciert vom Antagonisten zum Protagonisten. Der Autor schildert sehr klar und sehr menschlich, was die Figur umtreibt. Damit bringt er dem Leser den früheren Bösewicht so nah, dass Sympathie und Verständnis wachsen. Aus einem Bösen einen Guten machen, Verständnis für die Taten eines Individuums erzeugen, ist nicht leicht. Rüdiger Schäfer gelingt das durch seine tiefreichenden Innenansichten und seine flüssige Sprache. Man »hört« ihm einfach gern zu, wie er die Lebensgeschichten seiner Figuren erzählt. Das war schon in Band 195 so, wo er Tuire Sitareh einen Hintergrund verlieh und das ist auch bei »Callibsos Weg« wieder der Fall.
Noch bemerkenswerter ist, wie er die vielen offenen Fäden aus den vergangenen Staffeln zusammenfügt, wie er das Bild der Ereignisse, einem Zwiebelschalenmodell gleich, erweitert. Man versteht plötzlich, warum etwas passiert ist und dass es genauso passieren musste. Ich möchte hier nicht alles wiedergeben, das würde auch den Rahmen sprengen. Nur so viel: Man kennt am Ende fast alle Zusammenhänge.
Der Autor beschäftigt sich schon lange intensiv mit Kosmologischen Prozessen. Er hält sich hierbei stets auf dem Laufenden und lässt seine Erkenntnisse in die NEO-Serie einfließen. So ausgeklügelt wie bei Band 219 habe ich das aber noch nie gelesen. Es fühlt sich logisch und richtig an.
Zu »Callibsos Weg« gibt nicht viel mehr zu sagen, außer, dass ich schwer beeindruckt bin. Das ist mit Abstand der beste NEO, den ich bisher gelesen habe. Und es ist vor allem ein Roman, den man lesen kann, ohne sich groß bei NEO auszukennen, weil er eine einzelne Figur und deren Lebensweg in den Fokus stellt. Das ist eine Art der Charakterisierung wie sie bei PERRY RHODAN einst nur William Voltz so vollendet beherrschte. Ich persönlich meine, in Rüdiger Schäfer hat er seinen Nachfolger gefunden. Das ausdrucksstarke Cover von Dirk Schulz unterstreicht diese Leistung.