Problematische Graphic Novel

Quelle: Amazon

Ich hatte mich sehr gefreut, als ich die Graphic Novel »Anders sein oder der Punk im Schrank« entdeckte. Auch die Lektüre hat mir über weite Strecken gefallen. Wieder habe ich einiges zu Punks in der DDR gelernt, was ich zuvor nicht wusste. In der Vorbereitung zu dieser Rezension entdeckte ich dann aber die Stellungnahme einiger ehemaliger Punks, die sich bildlich und auch mit ihren Geschichten im Buch wiederfinden, ohne zuvor um Erlaubnis gefragt worden zu sein. Außerdem wurde anscheinend Bildmaterial aus einem Bildband über Punks im Osten abgezeichnet, ohne die Zustimmung der Fotografin. Sowas geht natürlich gar nicht.

Es hätte eine schöne Besprechung werden können. Denn die Motivation Jugendlichen von heute, die Situation der Subkulturen in der DDR zu erklären, ist ja keine Schlechte. Und auch das Ganze als Graphic Novel zu erzählen, finden ich passend. Durch das ungeschickte Vorgehen der Autoren und des Zeichners, wird der gute Wille leider zunichte gemacht.

Zunächst dachte ich, dass es sich bei der Geschichte um eine wahre Begebenheit handelt. Dass es die Punks, die sich 1980 zu einer Punkband zusammenschließen und danach unter Repressalien durch die Volkspolizei und die Stasi zu leiden haben, tatsächlich gegeben hat. Umso überraschter war ich, als ich im Nachwort las, dass es sich um eine erfundene Geschichte handelt. Letztendlich erfährt man aber durch die Stellungnahme, dass das Buch die Geschichte der Band »H.A.U.« nachzeichnet, inklusive ihrer Bandmitglieder. Beziehungsweise, das hier aus vielen tatsächlichen Einzelschicksalen eine Geschichte gestrickt wurde. Gut, das kann man machen, aber wäre es dann nicht besser gewesen, die wirkliche Geschichte der Band und ihrer Mitglieder aufzuzeichnen? In Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. So wie es beispielsweise bei der Dokumentation über Otze Ehrlich von der Band »Schleim Keim« gemacht wurde.

»Anders sein oder der Punk im Schrank« gibt einen Einblick in die Subkulturen der Achtziger und frühen Neunziger Jahre in der DDR. Wobei man als Nicht-im-Osten-Aufgewachsener anhand der Einträge im Glossar den Eindruck bekommen muss, dass das Leben in der DDR die Hölle gewesen sein muss. Ohne Frage, den Betroffenen mag das so vorgekommen sein, aber den meisten Bürgern des Landes eher nicht. Und da finde ich persönlich, dass die DDR ein wenig verzerrt dargestellt wird. Man bekommt leider nur eine Seite der Medaille zu sehen und zwar die der Stasi-Opfer. Das ist legitim, bildet aber nicht das Leben in der DDR als solches wieder.

Ich hätte für die Graphic Novel aus dem Ch. Links Verlag gern eine Leseempfehlung ausgesprochen, kann das in diesem Fall aber nicht tun.

Wer sich für die Hintergründe interessiert, den verweise ich auf die Facebookseite der Betroffenen. Hier können sowohl die Stellungnahme, als auch die dazugehörigen Beweise eingesehen werden.