»Ich habe Bahn«

In diesem Monat war ich vergleichsweise oft mit dem Zug unterwegs und irgendwie hat mal wieder kaum etwas ohne Probleme und Verspätungen geklappt. Entweder habe ich ein schlechtes Karma, das sich immer dann meldet, wenn ich mit der Bahn fahre, oder es wird wirklich immer schlimmer bei der Bahn.

Auffällig war diesmal die Häufung der verspäteten Bereitstellungen. Das ist mir bei vier Fahrten gleich drei Mal passiert. Meist mit der Konsequenz, dass ich rennen musste, um meine Anschlusszüge zu bekommen. Einmal stand ich mit den anderen Fahrgästen bis fünf Minuten nach der eigentlichen Abfahrt des ICE vor verschlossenen Türen. Es hätte noch gefehlt, der Zug wäre ohne uns abgefahren.

In Frankfurt kam der Zug, mit dem ich fahren wollte, verspätet an, blieb dann noch ewig im Bahnhof stehen und wurde schließlich wegen einer Weichenstörung umgeleitet. Er war aber dann erstaunlicherweise schneller in Aschaffenburg, als im Originalfahrplan vorgesehen. Da frage ich mich doch, auf was die Streckenführung optimiert wird. Auf Schnelligkeit wohl kaum.

Auch der Service ließ zu wünschen übrig, fehlendes Zugpersonal, Fahrkarten, die daraufhin nicht entwertet wurden und mangelnde Durchsagen in den Zügen. Einmal war morgens im Zug die Heizung ausgefallen, bei einstelligen Temperaturen. Der Zugführer meinte wohl, dass, wenn er die Lüftung einschaltet, es allein durch die anwesenden Fahrgäste wärmer würde. So war ich durch die kalte Zugluft trotz Jacke fast zum Eisbrocken erstarrt, als ich nach eineinhalb Stunden wieder ausgestiegen bin.

An einem Tag verbrachte ich knapp zwanzig Minuten im Nürnberger Servicecenter, nur weil ich ein Fahrgastrechte-Formular abgeben wollte. Das dortige Nummern-System – jeder Fahrgast muss eine Nummer ziehen und wird einem Schalter zugewiesen – ist meines Erachtens völlig ineffizient. Die Wartezeiten sind doppelt so lang, weil u. a. Nummern aufgerufen werden, von Fahrgästen, die bereits entnervt gegangen sind, oder denen einfach der Anschlusszug davongefahren wäre, hätten sie noch länger gewartet. Zu beobachten war auch, dass sich die Beamten am Schalter enorm viel Zeit ließen, bevor sie eine neue Nummer aufgerufen haben. Manch einer ging sogar in die Pause, obwohl die Wartehalle voller Leute war. Da wünschte ich mir das amerikanische System mit mäanderförmigen Warteschlangen, in dem jeder, der an der Spitze der Schlange steht, sich zum nächsten freien Schalter begibt.

Das es mit der Bahn nicht nur mir so geht, weiß ich aus Erzählungen von Freunden und Bekannten. So sagte unlängst jemand, nachdem er völlig verschwitzt und verspätet zu einem Termin erschienen war: »Ich habe Bahn« als Äquivalent zu »Ich habe Rücken.“

Es gibt aber auch eine schöne Anekdote zu berichten. Auf der Rückfahrt von Frankfurt hatten wir einen ausgesprochen gut gelaunten und sehr redseligen Zugbegleiter, der mit seinen Ansagen die Leute so trefflich unterhielt, dass sie sich bei ihm bedankten, als er zum Kontrollieren der Fahrscheine vorbeikam. Dabei hatte er für jeden Fahrgast noch eine Extra-Bemerkung parat. Den jungen Damen mir gegenüber erklärte er nach der Kontrolle ihrer Handytickets, er habe jetzt einige ihrer Fotos vom Handy geladen und wolle sie mal durchschauen, was sie denn gestern Abend so getrieben hätten. Der Blick der beiden, die nicht sicher waren, ob er das ernst meinte, war Gold wert. Er verabschiedete sich von ihnen mit dem Hinweis, sie könnten ihre Weihnachtsfotos vom letzten Jahr jetzt löschen, es wäre doch bald wieder Weihnachten. Großartig! Da merkt man, dass es doch noch Menschen bei der Deutschen Bahn gibt, die ihren Beruf lieben.