Trinkspiele im Mai

Maibaum

Am Mittwoch dem 1. Mai 2019 nahm ich zum ersten Mal am bayrischen Ritual des Maibaum-Aufstellens teil. Maibäume kenne ich auch aus meiner thüringischen Heimat. Nur sind sie dort nicht blauweiß angemalt und stehen auch nur ein paar Wochen, nicht wie hier zwei bis drei Jahre. Außerdem werden sie meist am Vorabend des 1. Mai von der Feuerwehr aufgestellt. Ich habe dabei schon einige Mal zugesehen. Das ist relativ unspektakulär und nach einer halben Stunde erledigt.

Die Bayern zelebrieren das Aufstellen ihrer Maibäume. Wie bei den meisten Festen geht es im Grunde ums Trinken – möglichst viel, in möglichst kurzer Zeit. So auch beim Maibaumaufstellen. Wir waren nach ein Uhr auf dem Dorfplatz und ich befürchtete schon, alles verpasst zu haben, doch zum Glück befand sich der Maibaum noch in Schräglage. Männer in Tracht wuselten umher, hatten Stangen unter den Stamm gestützt. Der Motor des Krans lief, der den Stamm vorm Abstürzen sichern sollte. Rings um saßen die Zuschauer auf Bierbänken in der Sonne und ließen sich Leberkäs und Bier schmecken. Die Blaskapelle spielte.

Wir warteten, das es endlich losging. Dann plötzlich ein »Hauruck« und der Baum bewegte sich einen halben Meter nach oben. Dabei blieb es erstmal. Die Bedienungen schafften Masskrüge herbei, verteilten sie unter den Stamm-Hebern. Der Motor des Krans wurde abgestellt, die Blaskapelle spielte das obligatorische »Oans, zwoa, g’suffen« und die Männer tranken. Eine der Frauen eilte mit einer Flasche Sonnencreme herbei und schmierte das Gesicht ihres (wahrscheinlich) Mannes ein.

In der folgenden halben Stunde wurde der Baum keinen Millimeter höher bewegt. Dafür wurden weitere Biertische auf die Straße gestellt (die für den Durchgangsverkehr gesperrt worden war) und immer mehr Menschen strömten herbei. Ich hatte mich derweil auf eine Bierbank gesetzt und fragte mich, wann die denn mit dem Aufstellen endlich loslegen wollen. Wenn die so weitermachen, waren sie heute Abend noch nicht fertig. Ich blickte mich um, aber es schien keinen zu wundern, dass es nicht weiterging. Die Leute aßen, tranken und unterhielten sich.

Zünftig geht’s zu

Minuten später wurde der Motor des Kranwagens erneut angeworfen. Jemand rief etwas, die Männer an den Stangen gingen in Stellung, der Baum bewegte sich kaum merklich, zumindest wackelte die Krone. Dann war wieder alles vorbei und es wurde eine neue Runde Bier ausgeschenkt – in Maßkrügen wohlgemerkt.

Mein Mann schüttelte den Kopf und meinte, dass er sich das Besäufnis nicht länger ansehen wollte. Ich fragte mich, ob die Männer überhaupt noch in der Lage sein würden, den Baum aufzustellen. Wenn sie bei jedem Zentimeter eine Maß tranken, mussten sie womöglich irgendwann ausgetauscht werden.

Als wir um vier Uhr spazieren gingen, stand der Baum. Es mussten nur noch die Zunftschilder angebracht werden. Diesmal mit dem neuen Leiterwagen der Feuerwehr. Auch hier das gleiche Ritual: ein Schild, eine Maß Bier. Nach Zeugenaussagen saßen die Leute bis 23 Uhr und feierten das Trink-Ritual des Maibaumaufstellens. Das ist bayrisches Brauchtum.

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