PERRY RHODAN NEO Band 200 – »Mann aus Glas« von Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm
Das Jahr 2088. 30 Jahre sind seit dem Kampf gegen ANDROS vergangen. Die Menschheit ist ins All aufgebrochen und hat Kolonien in anderen Sonnensystemen gegründet. Die Welten sind durch die Sonnentransmitter der Liduuri und denen der alten Straßen miteinander verbunden. Da taucht in der Nähe der Handelswelt Olymp ein Fremder auf, der sich Merkosh nennt und an einem friedlichen Austausch von Wissen interessiert ist. Perry Rhodan lädt den Fremden auf das nagelneue Flaggschiff ein. Doch seine Ehefrau Thora, die frisch ernannte Kommandantin der CREST II, ist nicht ohne Grund misstrauisch, denn kurz nach Ankunft des Gastes beginnen die Schwierigkeiten.
Derweil befinden sich die beiden erwachsenen Rhodansöhne auf einer Undercovermission für GHOST, den Geheimdienst der Terranischen Union. Sie sind auf der Spur von Schmugglern, die mit illegal abgebauten Drusen mit Hyperkristallen handeln. Dann jedoch werden sie zu einer chinesischen Kolonie geschickt, zu der jeglicher Kontakt abgebrochen ist. Die Brüder finden dort nicht nur die größte Druse, die je entdeckt wurde, sondern auch die meisten Kolonisten tot oder sterbend vor. Sie retten Jessica Tekener, die auf der Suche nach ihrem Bruder Ronald ist und stoßen auf Iratio Hondo. Der ehemalige Obmann von Plophos zeigt übermenschliche Fähigkeiten und versucht die Brüder sowie Jessica gedanklich zu zwingen, ihm ihr Schiff zu überlassen. Doch die beiden von NATHAN ausgebildeten Emotionauten widerstehen dem mentalen Druck, können Hondo überwältigen und die CREST zu Hilfe rufen.
Man spürt die Freiheit in jeder Zeile. Die beiden Exposeautoren dürfen endlich Geschichten erzählen ohne die Zwänge eines kosmischen Überbaus. Dazu erdenken sie sich Schauplätze in real existierenden Sonnensystemen. Trotz des Zeitsprungs von 30 Jahren ist die NEO-Serie noch immer recht nah an unserer Lebenswirklichkeit. Nicht nur Rüdiger Schäfer ist sich sicher, dass dies eines der Erfolgsgeheimnisse von NEO ist.
Der Roman basiert auf zwei parallel laufenden Handlungsbögen. Einer erzählt von den Geschehnissen rund um das Erscheinen von Merkosh. Im Zweiten stehen die Söhne des Protektors Farouq und Thomas Rhodan da Zoltral im Mittelpunkt. Jedes der Kapitel endet mit einem Cliffhanger, was die Geschichte ungemein spannend macht. Der Leser wird behutsam in die neue Epoche eingeführt. Er erfährt, wie es der Menschheit nach dem Ende des Ringens ergangen ist, was aus dem einen oder anderen Charakter wurde, wie sich die politische Struktur der Terranischen Union herausgebildet hat. Nicht alle Nationalstaaten haben sich der TU angeschlossen. Die Besiedlung der Kolonien erweist sich als nicht so reibungslos, wie es in der Erstauflage dargestellt wurde. Die Siedler wurden durch genetische Manipulationen an die Extremwelten angepasst. Außerdem liegen die Kolonien innerhalb der Lokalen Blase und nicht Tausende von Lichtjahren entfernt. Das Szenario ist somit sehr viel glaubhafter und durchdachter, als in der Frühzeit der PERRY RHODAN-Serie, profitiert aber auch von dem, was wir heute über die Sterne und die Milchstraße wissen.
Nicht vergessen wurde das Angebot der Liduuri, 15 Menschen die Unsterblichkeit zu verleihen. In dem Fall erhielten sie Zellaktivatoren, die in Abständen jedoch längere Schlafzyklen voraussetzen. Das ist dramaturgisch eine gute Idee, wobei aber dem Leser der Auswahlprozess vorenthalten wird. Das fand ich persönlich schade, denn da gab es sicher einiges an Streitpotenzial. Das Leyden-Team scheint immer noch verschollen, zumindest bis auf Belle McGraw, die inzwischen John Marshall geehelicht hat. Beide tragen einen der Zellaktivatoren (wobei Belle ja eigentlich eine Zelldusche bekommen hatte).
Sehr schön fand ich das Auftauchen bekannter Namen wie Tekener und Iratio Hondo. Was mich als großer Fan des Plophos-Zyklus besonders freut. Der Charakter des Merkosh ist den Autoren ausgesprochen gut gelungen. Fremdartigkeit äußert sich eben nicht nur im Aussehen, sondern auch in banalen Dingen wie essen und trinken, beziehungsweise in Denken und Moral. Das führt unweigerlich zu Missverständnissen. Da freue ich mich schon auf die weitere Entwicklung.
Es gab nur eines, womit mich die beiden Autoren komplett verwirrten. Ich hatte große Schwierigkeiten die Begriffe »Terranische Union« und »Solare Union« zu unterscheiden. Bis zuletzt konnte ich den Unterschied nicht festmachen, weil beide Begriffe im gleichen Kontext gebraucht werden. Auf den PERRY RHODAN-Tagen in Osnabrück konnte ich die Autoren danach fragen und sie hatten eine detaillierte Antwort parat. Anzuschauen in den ersten Minuten des Video-Zusammenschnitts von Volker Hoff auf YouTube.
Mit »Mann aus Glas« ist Rüdiger Schäfer und Rainer Schorm ein guter Start in die neue Epoche gelungen. Der berühmt-berüchtigte »Sense of wonder« ist zu spüren und NEO-Neuleser sowie Kenner der Erstauflage kommen voll auf ihre Kosten. Sehr schön!