Ostfrauen und die Emanzipation

Anlässlich des internationalen Frauentags, lief am 8. März im Abendprogramm des MDR eine Reportage über Frauen im Osten. Ich fand die Sendung sehr aufschlussreich und kann dem dort Gesagten nur zustimmen. In den Erzählungen der Frauen habe ich mich zum Teil selbst wiedergefunden.

»Ostfrauen sprechen nicht von Emanzipation, weil sie emanzipiert sind.« Das ist der Kernsatz der Reportage. Und tatsächlich, als junge Frau habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass man es als Frau schwerer haben soll, als ein Mann. Selbst als ich in meiner ersten Woche an der Uni zu einer Begrüßungsveranstaltung der Gleichstellungsbeauftragten eingeladen wurde, fragte ich mich, was das sollte und wozu ich das brauche. Warum brauche ich jemanden der eine Sonderstellung für mich fordert, wo ich doch für mich selbst sprechen kann? Das es in der Gesellschaft der BRD notwendig ist, als Frau für seine Rechte zu kämpfen, habe ich spätestens mit dem Wechsel ins Berufsleben und in die alten Bundesländer erfahren müssen. »Sie haben das falsche Geschlecht« waren nur einer der Sprüche in Vorstellungsgesprächen, die ich mir anhören durfte. Bei mehreren Bewerbern wurde immer der Mann eingestellt, auch wenn ich die bessere Qualifizierungen vorweisen konnte.

»Ostfrauen sind pragmatischer und tragen die Wahrheit auf der Zunge.« Noch ein Zitat, das ich so unterschreiben würde. In der Sendung gezeigt wurde – der berühmte Ausspruch von Regine Hildebrandt, warum das westdeutsche Abitur ein Jahr länger dauert … Antwort: wegen einem Jahr Schaupielunterricht. Es war mir immer ein Gräuel mich verstellen zu müssen, jemandem etwas vorzumachen, aufzuschneiden auf Teufel komm raus. Aber ohne das geht und ging man in der Wirtschaft des Westens verloren. Vor allem wenn die Chefin eine Frau war, empfand ich es noch schwerer. Diese Art Zickenkrieg kannte ich aus dem Osten nicht und konnte nicht damit umgehen. Weshalb ich noch heute lieber mit Männern zusammenarbeite. Da wird Tacheles geredet und nicht sich nicht hinter falschen Mienen versteckt. Man darf da als Frau halt nicht empfindlich sein, das gehört für mich zur Gleichberechtigung dazu.

Spannend fand ich die Aussage am Ende, dass die ostdeutschen Frauen nach der Wende im Westen mehr für die Emanzipation der Frau getan haben, als Alice Schwarzer es je hätte tun können. Die Frauen im Osten haben sich eben nicht in die Rolle der Hausfrau zurückfallen lassen, sondern ihren Lebensstil zwischen Arbeit und Familie fortgeführt und in die alten Bundesländer getragen. Somit haben sie es im Laufe der Jahre salonfähig gemacht, als Frau einer Arbeit nachzugehen und gleichzeitig Mutter zu sein, ohne sich das Stigma der Rabenmutter überstülpen zu lassen.

Ich gebe zu, Frauen die in Westdeutschland aufgewachsen sind, werden das alles nur schwer verstehen. Sie ist auch kaum vermittelbar, die Selbstverständlichkeit, mit der man in Ostdeutschland als Frau gelebt hat, die Freiheiten, die man genoss und die man sich herausnahm. Da war es nicht verpönt, wenn man eben nicht kochen konnte. (Kochen und backen gehörte nicht zum Lehrplan in den Schulen.) Es war selbstverständlich wenn man seine Kinder in die Grippe oder den Kindergarten gab, um arbeiten zu gehen. Und ja, es gab auch die Möglichkeit länger zu Hause zu bleiben, oder Halbtags zu arbeiten wie meine Mutter es getan hat.

Das einzige, was ich an der Sendung negativ anmerken kann, ist: Die Frauen, die im Rahmen der Sendung interviewt wurden, waren vielmals Politikerinnen oder zumindest in irgendeine Form politisch oder öffentlich engagiert. Vielleicht hätte es der Sendung gutgetan noch mehr Frauen »aus dem Volk« zu zeigen. Das klingt blöd, aber ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll. Ich denke da an Frauen wie meine Mutter, die Verkäuferin war und dann im Büro gearbeitet hat. Daran hätte man die Unterschiede zwischen dem Leben als Frau vor und nach der Wende besonders deutlich zeigen können. Von der Arbeitslosigkeit aus dem Arbeitsleben in den Haushalt gepfercht zu werden, die Beschneidung der persönlichen Freiheit durch den §218 und die klischeebelastete Behandlung durch Medien und Presse.

In Sachen Emanzipation waren die Frauen in der DDR deutlich weiter, als wir es heute sind. Und das finde ich nach wie vor als eines der schmerzlichsten »Verdienste« der deutschen Wiedervereinigung.