Zu den Büchern, die mich durch meine Kindheit begleitet haben, gehört die Geschichte vom kleinen Kater Schnurr.
Das kleine Heft war schon ziemlich zerfleddert, als ich es bekommen haben muss. An das wie und wo kann ich mich nicht erinnern. Ich schätze, das es in den späten Fünfzigern oder frühen Sechzigern gedruckt wurde und etwa Ende der Siebzigerjahre in meinen Besitz kam. Es fehlt der Einband und die letzte Seite, außerdem ist von der ursprünglichen Heftbindung nicht mehr viel übrig, weshalb die Seiten durch Tesafilm zusammengehalten werden. Weil ich immer sehr sorgfältig mit meinen Büchern umgegangen bin, können die Schäden nicht von mir sein. Nichtsdestotrotz gehörte das Buch wegen der schönen Zeichnungen und der netten Geschichte zu meinen Lieblingsbüchern. Ich habe sie so oft gelesen oder mir vorlesen lassen, dass ich den Wortlaut noch immer zu großen Teilen im Kopf habe.
Dieser Tage nun entdeckte ich beim Edeka um die Ecke in einer Kiste mit Pixibüchern, jenes Büchlein was mir als Kind so viel Freude bereitet hat. Ich nahm es natürlich sofort mit, wartete ich doch seit Ewigkeiten darauf, wie die Geschichte endet. (Mir fehlte ja eine Seite.)
Dann aber die Ernüchterung. Der Text in dem Buch hatte mit dem Text, den ich in Erinnerung hatte, nicht mehr viel gemein. Die, wie ein Märchen erzählte Geschichte, war ersetzt worden, durch einfache, teils primitive Sätze und banale Dialoge. War die Geschichte in der ursprünglichen Version noch im Präteritum, so ist sie in der modernen Fassung im Präsens verfasst. Auch der Umfang des Textes ist um gut die Hälfte gekürzt worden. Das Vokabular hat so schöne Worte wie Plage, schelten, wonnig oder ungezogen eingebüßt. Dafür tauchten Worte auf, wie Schlot und Galgenstrick.
Für bedenklich halte ich, dass der Text eigentlich nur noch eine Beschreibung der Illustrationen liefert und nicht mehr das erzählt, was zwischen den Bildern geschieht. Die schöne Geschichte um den ungezogenen Kater, der nur Unsinn im Kopf hat und der nicht in die Schule gehen will, hat somit ihren einstigen Zauber verloren.
Sicher gibt es Passagen, die heutzutage Problematisch sein können, nämlich dann, wenn Fräulein Mimi die Lehrerin »böse« wird und sich Schnurr »in die Ecke stellen« muss. Aber das könnte man feinfühliger ändern und nicht schreiben: Schnurr sei zu dumm zum Lernen. Denn das vermittelt Kindern den Eindruck, dass man durch Lernen nicht klug werden kann. Was nicht nur Blödsinn und sondern sogar völlig falsch ist.
Ich weiß nicht, welche pädagogischen Gründe die Verantwortlichen im Carlsen Verlag dazu veranlasste, die Geschichte vom kleinen Kater Schnurr derartig zu verhunzen, dass sie kaum noch wiederzuerkennen ist, sondern auch noch fragwürdige Formulierungen enthält, die ich meinen Kindern (wenn ich welche hätte) nicht vermitteln würde.
Was meinst du was los ist, wenn ich meinen Schülern die “original “ Grimms Märchen vorlese!!
Aber versuch mal eBay, vielleicht kannst du da ja die alte Ausgabe des Buches finden!