Gestückelt nicht püriert

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 166 – »Jäger und Beute« von Arno Endler

Während die MAGELLAN sich mit der Plattform der Paddler in einem abgelegenen System versteckt hält, ist die FERNAO auf dem Rückflug. Terraner und Paddler hoffen, dass die FERNAO zurückkommt, bevor das Hetzgeschwader der Thetiser sie entdeckt. Seltsame Quanteneffekte hindern die FERNAO jedoch an der Transition. Sie kommt beinahe zu spät. In einer großen Raumschlacht haben die Hetzschiffe von Hak Gekkoor die Beiboote und Dragonflys der Terraner schon aufgerieben, der Schutzschirm um die Plattform ist gefallen. Doch bevor sie den Terranern den Todesstoß versetzen können, greift der Haluter Icho Tolot mit der DOLAN in den Kampf ein und gebärdet sich wie eine Bestie. Die Plattform mit der MAGELLAN kann im letzten Moment gerettet werden, aber nicht ohne schwere Verluste.

Es ist Arno Endlers vierter Roman für NEO und er folgt einer ähnlichen Charakteristik, wie seine Romane zuvor. Der Autor legt erneut großen Wert auf die »unteren Ränge«, was mir ausnehmend gut gefällt. Jede der kleinen Nebenhandlungen ist sympathisch geschrieben und würde mich begeistern, wenn nicht … und da komme ich zum Knackpunkt …

Die Geschichte gliedert sich in drei übergeordnete Handlungsstränge. Womit er den Roman auch interessant hätte gestalten können, ohne ihn in noch kleinere Nebenhandlungen zerfallen zu lassen. Aber auch das wäre kein Problem, solange nicht die vielen kurzen Kapitel wären. Manche gehen nur über ein paar Zeilen, wirken überflüssig oder aus dem Zusammenhang gerissen.

In dem Interview auf der PR-Homepage erzählt Arno Endler, dass er die Raumschlacht und das Drumherum wie einen Film erzählen wollte. Das ist ein Ansatz, der ihm nicht gelingt. Die Handlung ist zerhackt wie ein moderner Actionfilm, viele kurze Schnitte um künstlich Spannung aufzubauen. Das mag vielleicht in einem Kinofilm funktionieren, bei einem Roman funktioniert das nicht. Zumal ich bei der Fülle der Charaktere ohnehin kaum noch den Überblick behalte. Ich kann den Autor verstehen, wenn er »seine« liebgewonnenen Charaktere auch in der Folgehandlung zeigen möchte. Das ist legitim und sei ihm gegönnt, aber wenn im Exposé kein Platz dafür ist, sollte man vielleicht auf die eine oder andere Figur verzichten.

Um so verwunderte war ich, dass sich die Kapitel über Trinar Molat und Hak Gekkoor so harmonisch lesen. Da stimmte alles: das Timing, die Charakterisierung, die Atmosphäre und die Länge. Verglichen mit den zerstückelten Kapiteln in den Handlungssträngen um die Paddlerplattform und die FERNAO liest es sich fast so, als wären sie von einem anderen Autor geschrieben worden. Nicht, dass ich Arno Endler dies unterstellen will, aber dass passte für mich einfach nicht zusammen.

Ein paar kleinere Logikfehler sind mir ebenfalls aufgefallen. So viel ich verstanden habe, sind die Molokken keine gezüchtete Spezies. Wenn die männlichen Tiere ein Euter haben, in dem, wie in einer Giftdrüse, das Gift aus den Pflanzen gespeichert wird, wie würde es das Gift los, wenn es keine Thetiser gäbe, um sie zu melken. Irgendeinen evolutionären Zweck muss das Euter haben, und wenn es nur zur Verteidigung gegen Angreifer genutzt wird (ähnlich wie bei einem Stinktier).
Auch die Quanteneffekte, die auf der FERNAO Kohäsionsverluste von Wänden, Konsolen und anderen Dinge verursachen, sind nicht bis zum Ende durchdacht. Wenn menschliche Gliedmaßen mit einer Konsole verschmelzen, können sie nicht mehr von der Struktur der Konsole gelöst werden. Funkoffizier Simonsen hätte eigentlich nur durch eine Amputation seiner Arme befreit werden können.
Kopfzerbrechen bereitet mir auch die Waffe der DOLAN. Mit einer Reichweite von fast einer Millionen Kilometer hätte sie auch Schiffe der Terraner vernichten müssen.
Wobei der Kampf im Asteroidengürtel eher der Physik eines Kinofilms folgt, als der Realität. So ein Asteroidengürtel besteht aus fast leerem Raum, sonst hätte es keine NASA-Sonde je bis zum Jupiter geschafft.

Für das plötzlich Auftauchen von Leibnitz, der die ganze Zeit auf der DOLAN gewesen ist, bekam man die etwas unmotivierte Erklärung, Icho Tolot hätte keine Gelegenheit gefunden, es Perry Rhodan zu erzählen. Diesen Fauxpas kann man nur den Exprokraten anlasten. Es sieht so aus, als hätten sie Leibnitz im letzten Roman einfach vergessen und erst wieder ausgepackt, als man ihn brauchte.

Wessen Idee die Quantenexistenz war, die sich an die Hülle der FERNAO heftete und im Zusammenspiel mit der Crea-Kralle die Kohäsionseffekte auslöste, weiß ich nicht. Aber ich bin enttäuscht, dass sie sich am Ende buchstäblich in Luft auflöst, ohne eine weitere Rolle zu spielen.

»Beute und Jäger« erfordert viel Geduld vom Leser, damit er das Buch nicht dauernd aus der Hand legt. Manchmal fühlte ich mich wie beim Anschauen eines Films, der dauernd von Werbung unterbrochen wird. Deshalb brauchte ich auch eine Woche, bis ich Band 166 gelesen hatte. Arno Endler wollte in diesem Roman zu viel. Was ihm wiederholt auf die Füße fällt, und aus einem eigentlich guten Roman einen durchschnittlichen macht. Schade!