Im Zuge der Vorbereitung auf die Andreas Eschbach-Tagung las ich seinen ersten Roman »Die Haarteppichknüpfer«. Das bemerkenswerte Werk erschien 1995 und war der Auftakt zu einer großen Schriftstellerkarriere. Eschbach gewann damals mit dem Roman den Deutschen-Science-Fiction-Preis. Völlig zurecht, wie ich finde.
Die Handlung des Romans ist ausgesprochen vielschichtig. Eigentlich fühlt es sich an wie aneinandergereihte Kurzgeschichten, die zusammen einen vollständigen Handlungsbogen ergeben. Dabei bedient sich der Autor jenes Tricks, den ich schon bei den Kurzgeschichten-Sammlungen von Dirk Bernemann beobachtet konnte. Jedes Kapitel enthält einen winzigen Bezug zum Vorangegangenen. Dabei sind die handelnden Figuren und mitunter auch die Handlungsorte völlig verschieden. Wahrscheinlich hätte jedes Lehrbuch gesagt, dass man so keine spannende Geschichte erzählen kann. Bei Eschbach funktioniert es und zwar so gut, dass ich den Roman in wenigen Stunden durchgelesen hätte, wenn es meine Zeit erlaubt hätte.
Besonders wahrzunehmen ist hier bereits das, was die späteren Romane des Autors ausmachen – die Genrewechsel. Der unvorbereitete Leser glaubt zunächst bei dem Roman handele es sich um eine Erzählung aus dem Mittelalter. Aber Eschbach streut in jedes Kapitel kleine Hinweise ein, die nach und nach erahnen lassen, dass man sich nicht im Mittelalter der Erde befindet, sondern auf einem fremden Planeten in einer weit entfernten Galaxie. Später verlassen wir diesen Planeten und lernen häppchenweise die jahrtausendealte Geschichte einer Zivilisation kennen. Bevor wir am Ende wieder auf den Planeten vom Beginn des Romans zurückkehren.
Dreh- und Angelpunkt sind die Haarteppiche. Jene meisterhaft geknüpften Kunstwerke aus Menschenhaar, für die ein Handwerker sein ganzen Leben geopfert hat (und nicht nur er, auch seine Familie). Als Leser möchte man wissen, für wen diese Teppiche sind und warum sie seit Hunderten von Generationen angefertigt werden. Allein mit dieser Frage fesselte mich der Autor so, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Die Auflösung ist dann ein Schlag und man sitzt erst einmal da und überlegt, was gerade passiert ist. Vielleicht hätte diese Auflösung erst ganz am Schluss kommen sollen, und nicht einige Kapitel vorher – dann wäre sie wahrscheinlich noch wirkungsvoller gewesen.
Dennoch ist »Die Haarteppichknüpfer« sensationelle Science Fiction, die nicht auf das Genre fixiert ist und die Geschichte gerade deshalb so spannend macht. Nicht nur vom Plot auch stilistisch gelingt Andreas Eschbach ein überzeugendes Werk, das seinesgleichen sucht. Für mich der bisher beste Eschbach-Roman, den ich gelesen habe. Aber ich habe auch noch ein paar im Regal stehen.