Wir wohnen an einer Einmündung einer Einbahnstraße. Mindestens einmal im Monat beobachte ich Autofahrer, die entgegengesetzt der Fahrtrichtung unterwegs ist. Die meisten fahren rückwärts, um auf den Stellflächen auf der rechten Straßenseite einzuparken.
Gestern morgen, ich hatte gerade die Straße überquert, fuhr ein Autofahrer direkt geradeaus in die Einbahnstraße. Ich hob den Arm, um ihm per Handzeichen anzuzeigen, dass er hier nicht lang fahren darf. Hinterm Steuer saß ein alter Mann. Ich schätzte ihn auf zirka neunzig Jahre. Ich trat ans Fenster, er beugte sich rüber, doch er war nicht in der Lage die Beifahrerscheibe zu öffnen. Also ging ich ums Auto herum und wurde fast von einem Audi umgefahren, der von oben die Einbahnstraße heruntergerast kam.
Der alte Herr leierte mit zitternden Händen die Scheibe runter. Und ich erklärte ihm, dass dies hier eine Einbahnstraße sei und er hier nicht entlang fahren könne. Er reagierte gar nicht darauf, sondern fragte mich, wie er von hier nach Kirchanschöring käme. Da er aus dieser Richtung gekommen war, sagte ich ihm, dass er umkehren und zurückfahren müsse. »Das wäre nicht wahr«, motze er mich an und fragte gleich darauf, wo er denn wäre, das sei doch Waging. Von der Frage reichlich irritiert, reagierte ich nicht gleich. Da kam noch ein weiterer Passant und fragte den alten Mann, ob er keine Schilder lesen könne, das wäre eine Einbahnstraße. Während ich dem übereifrigen Passenten zu erklären versuchte, dass der alte Mann nicht mal richtig wusste, wo er war. Setzte der schon mit seinem Auto zurück und fuhr davon.
Ich schaute kopfschüttelnd hinterher. Mein einundachtzig Jahre alter Vater, der alles mitbekommen hatte, meinte daraufhin, dass sich ein Autofahrer mit Traunsteiner Kennzeichen doch hier auskennen müsse. Vor allem, dass man als Fahrer doch wissen müsse, wo man sei, sonst gehöre man nicht mehr hinters Steuer.
Ich hatte den ganzen Nachmittag ein ziemlich mulmiges Gefühl. Der Mann hatte hochgradig verwirrt gewirkt. Und ich bin mir sicher, dass er die Einbahnstraße hochgefahren wäre, wenn ich mich ihm nicht in den Weg gestellt hätte. Mein Mann ist der Meinung, das ältere Menschen alle paar Jahre einen Eignungstest ablegen sollten, ob sie noch in der Lage sind ein Fahrzeug zu führen oder nicht. Ich habe letztens eine Statistik gesehen, in der stand, dass die meisten Unfälle von Fahranfängern und älteren Autofahrern verursacht werden. Natürlich stellt ein solcher Test einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar, aber Berufskraftfahrer müssen ihn auch ablegen, warum sollte man das nicht auch auf normale Autofahrer ausweiten.
Das Grundproblem ist allerdings ein anderes. In Großstädten und Ballungszentren gibt es die Probleme seltener. Weil dort die Menschen auch ohne Auto mobil sein können. Hier draußen auf dem Land ist das ungleich schwieriger. Da fährt vielleicht noch zwei mal am Tag der Schulbus, in manchen Orten nicht mal der. Vielleicht stellen autonome Autos eine Lösung für unsere zunehmend älter werdende Gesellschaft dar.
Ich hoffe, dass der alte Mann tatsächlich dort angekommen ist, wo er hin wollte, und das er auf seinem Weg dorthin keine anderen Verkehrsteilnehmer in Gefahr gebracht hat.
So ist es. Aber die Autofahrernation Deutschland mag sich den Lappen halt nicht in Frage stellen lassen. Beim ADAC-Training hat der Dozent auch gesagt, dass sich 90% aller Fahrer für gute Fahrer halten würden…
Nach über sieben Jahren, die ich in einer Führerscheinstelle gearbeitet habe, habe ich sehr viele Berichte über alte, nicht mehr fahrtaugliche Fahrer gelesen und bin sehr für eine gesundheitliche Überprüfung. Mindestens Seh- und Hörtest.