PERRY RHODAN NEO Band 136 – »Tod eines Mutanten« von Rainer Schorm
Ich gebe offen zu, dass ich die Lektüre dieses NEO-Romans vor mir hergeschoben habe. Nach den schlimmen Ereignissen aus den letzten Romanen, dem martialischen Titel und mit dem Wissen, dass mir Rainer Schorms Schreibstil nicht sonderlich liegt, kostete es mich einige Überwindung den Roman zur Hand zu nehmen. Nun habe ich es getan und habe den Eindruck, dass auch die Autoren nicht unbedingt Gefallen an der aktuellen Zyklushandlung haben. Nicht anders sind die Worte, die Rainer Schorm seinen Protagonisten in den Mund legt, zu verstehen. Da steckt viel Kritik zwischen den Zeilen, berechtigt wie ich finde und das macht mir den Roman gleich wieder sympathisch.
In vier Handlungssträngen führt der Autor die Handlung auf der Erde und in M15 weiter. Zwei Handlungsstränge haben Julian Tifflor im Fokus. In einem geht es um Daten, die das Hippokratische Protokoll von Dr. Brömmers aufzeichnet. Durch die Augen des Erkrankten erfahren Tifflor und der Leser, was der Kybernetiker sieht und denkt. Die kurzen Einschübe sind mitunter etwas verworren formuliert und wirken nach dem dritten Mal wie Füllmaterial. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, versuche ich gar nicht erst zu verstehen, wie ein Mensch mittels eines Funksignals über mehrere Relaisstationen auf das Gehirn eines anderen zugreifen kann. Die Technik wird an dieser Stelle nicht hinreichend erklärt. Das klingt wie technisch gestützte Telepathie und könnte eigentlich jeden zum Telepathen machen.
Spannender ist dagegen der zweite Handlungsstrang um Julian Tifflor. Nicht nur das er dabei ist, als die TERRANIA die Botschaft von Mirona Thetin entdeckt, nein er stürzt sich auch wieder in einen Einsatz auf der Erde, um eines der Bauwerke der Sitarakh zu zerstören. Das wäre jetzt der wievielte Versuch? Dieses Mal gelingt das Manöver, auch wenn dabei wieder viele Zufälle aus dem Hut gezaubert werden. Rainer Schorm gibt sich zumindest Mühe alles einigermaßen zu erklären, wobei auch hier immer wieder Kritik des Autors durchklingt. So stutzt Tifflor die stellvertretende Administratorin Cheng Chen Lu zurecht, als die mit ihm und den Mutanten in den Einsatz auf die Erde gehen will. Er lehnt es ab, sie mitzunehmen, da sie nur ein Hindernis wäre und sie als einzige einsatzfähige Regierungsangehörige auf der TERRANIA am sichersten ist. Ja! Genauso sehe ich das auch.
Gut fand ich die Beschreibungen von NYC. Man merkt, dass sich der Autor auskennt. Schorm weiß, wovon er schreibt und hält sich nicht mit blumigen Beschreibungen von dahinvegetierenden Menschen auf. Wobei ich immer noch nicht ganz begreife, wieso manche Terraner noch einigermaßen klar im Kopf sind, während sich andere schon im Delirium befinden oder tot sind. Dazu wäre es schön, wenn in den nächsten Romanen nähere Angaben gemacht würden.
Die Bestie Masmer Tronkh will also wirklich nur Rache an Perry Rhodan nehmen und zerstört dafür die Heimatwelt des Terraners. Das Motiv finde ich wahrlich etwas dünn und hätte mir mehr erhofft. Noch schlimmer finde ich aber, dass die Sitarakh offenbar nur ein Hilfsvolk sind, das Tronkh für seine Zwecke benutzt und sie sich von ihm widerstandslos herumkommandieren lassen. Warum sie dann jedoch Interesse daran haben, herauszufinden wieso das Halaton bei den Menschen Mutationen hervorruft, vermag ich nicht zu verstehen. Denn das steht im krassen Gegensatz zu ihrer Hörigkeit der Bestie gegenüber. Dafür ist mir aber eines verständlicher geworden: warum die Sitarakh die Menschen weiterhin ihren Geschäften nachgehen lassen, ohne sie groß zu behindern – selbst die Terranische Flotte kann sich scheinbar ungehindert im System bewegen – die Menschen sind ihnen egal. Außer die Sache mit den Mutationen sind sie für die Sitarakh uninteressant.
Der Handlungsstrang mit Tuire und Ishy bringt ebenfalls einige Neuigkeiten über die Sitarakh, wobei auch hier die Logik wieder im Argen liegt. Die Sitarakh können also entstofflicht im Hyperraum existieren. Da stellt sich die Frage, warum tummeln sie sich überhaupt in dieser Realität? Warum verlassen sie den Hyperraum, wenn das ihr angeborener Lebensraum ist? Das ganze erinnert mich ein wenig an Spezies 8472 aus STAR TREK-VOYAGER, mit dem Unterschied, dass diese wenigstens einen Grund hatten, weshalb sie ihre angestammte Umgebung (den fluiden Raum) verlassen haben – weil sie gestört wurden. Auch hätte Tuire wissen müssen, dass die Sitarakh die Para-Energie der Mutanten anmessen können. Warum hat man sie nicht gleich ins Terrania Medical Center gebracht, sondern erst in die Fabrik? Das hätte Olf Stagge das Leben gerettet. Der ganze Handlungsstrang macht auf mich einen sehr konstruierten Eindruck.
Kommen wir zur Handlung in M15. Das beste daran ist, dass alles aus Atlans Perspektive im bekannten Ich-Präteritum erzählt wird, inklusive der Auseinandersetzungen mit dem Extrasinn. Zumindest hier fühlt sich der Perryfan heimisch. Die Handlung ähnelte der von Band 134 wobei Rainer Schorm mit den Zwistigkeiten zwischen den Protagonisten ein wenig übertreibt. Das ist stellenweise wie eine Schlacht mit Worten und untergräbt zuweilen die Ernsthaftigkeit der Handlung.
Die Sache mit den Würmern und den Geoden in denen die Wurmbabys sitzen, hat mir ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. STAR TREK lässt grüßen. Da »rettet Horta ihre Kinder« im wahrsten Sinne des Wortes. Es fehlte nur noch das »Schmerz!«, welches Spock bei Kontakt mit der Kreatur ausgerufen hat.
Atlan gehen dagegen ganz andere Dinge durch den Kopf. Und auch hier wurde ich das Gefühl nicht los, dass der Autor an den Exposéautoren offene Kritik übt. »Dass ich mit Rhodans Entscheidungen in zunehmenden Maße nicht mehr einverstanden war, erwähnte ich nicht … Aber die Flucht vor den Sitarakh war mir ein Dorn im Auge … Dass er nun, anstatt nach Arkon zu fliehen, Avandrinas Anliegen vorzog, nahm ich ihm unverändert persönlich übel.« Dem kann ihm nur zustimmen. Ich hielt es von Anfang an nicht richtig, dass sich Rhodan aus dem Staub gemacht hat. Wenn da mal nicht der Autor durch Atlan spricht.
Leyden und sein Team bekommen zwar Arbeit, stehen in diesem Roman aber eher im Hintergrund. Wobei ich in den vergangenen Romanen anscheinend nicht mitbekommen habe, dass die Spannungen zwischen Abha und Luan so zugenommen haben, dass sie jetzt schon nicht mehr miteinander reden.
Fazit: Keine Frage »Tod eines Mutanten« ist spannend geschrieben. Rainer Schorm vermag qualitativ zu überzeugen. Er bemühte sich mit eher zweitklassigen Ideen dem Roman Leben einzuhauchen. Nur fühlte ich mich an manchen Stellen von dem technischen Vokabular erschlagen, dass der Autor sehr gut beherrscht und einzusetzen weiß. Der Humor in den vielen Streitgesprächen, die sich durch alle Handlungsebenen ziehen, ist oft sehr zynisch. Ich bin mir nicht sicher, ob der Autor damit seinen Unmut bekunden wollte, oder es ein hilfloser Versuch ist, dem todernsten Thema des Zyklus‘ eine heitere Seite abzugewinnen.
Das Beste am ganzen Roman ist jedoch das Cover von Dirk Schulz. Von der Dynamik her ist es absolut stark.