PERRY RHODAN NEO Band 95 – »Im Fluss der Flammen« von Rainer Schorm
Der Roman ist ein typischer Schorm, wenn ich das mal so behaupten darf. Gezeichnet von atemloser Action, distanziert wirkenden Figuren und einer die Physik verspottenden Logik. Ich habe lange überlegt, warum mich die Ungereimtheiten in »WELTENSAAT« von Christian Montillon nicht so gestört haben, wie bei »Im Fluss der Flammen«. Bei dem Roman von Christian Montillon handelt es sich um klassische SF, die auf einem Außerirdischen Raumschiff mit vielen exotischen Lebensformen spielt. Das ist reine Fantasie und die lässt sich eben nur schwer in ein Korsett physikalischer Gesetze pressen und das muss sie auch nicht. Band 95 der NEO-Reihe hat aber eindeutig den Anspruch von Hard-SF und die funktioniert nunmal nicht ohne halbwegs plausible Erklärungen.
Los gehts schon mit Julian Tifflor, Mildred Orson und Orome Tschato in den Frischwassertanks der AGEDEN. Müsste es da drin nicht stockdunkel sein? Aquamarinblau ist da wohl die falsche Beschreibung, denn sie befinden sich ja nicht in einem Gewässer, das von Sonnenlicht beschienen wird und bei dem die Extinktion wirkt. Sie haben Lampen, aber deshalb wird das Wasser nicht dunkelblau. Und ich bezweifle, dass das Licht ihrer Lampen weit genug reicht, um in den Pipelines und Kavernen etwas erkennen zu können.
Ich hatte bei Band 89 schon gesagt, dass ich diese Frischwasser-Geschichte nicht sonderlich logisch fand. Es wäre sinnvoller zu erklären, dass die Wasserspeicher an Bord ständig recycelt werden und das sie unteranderem dem Schutz vor kosmischer Strahlung dienen. Das wäre wirksamer und energetisch günstiger. Nächstes Problem ist der Druck der Wassersäule. Warum sollte die Schwerkraft überhaupt in diesen Bereichen wirken? Es ist nicht nur Energieverschwendung, sondern auch ungünstig, wenn man nur einen Gravitationsgenerator hat. Bei Star Trek wird die künstliche Gravitation beschrieben, durch Matten, die im Boden jeden Decks verlegt sind und ein voneinander unabhängiges redundantes System bilden.
Der unsägliche Einsatz der Ara-Medikamente setzt dem Unternehmen die Krone auf. Warum nehmen sie keine Taucherausrüstung? (Die auf dem Cover von Dirk Schulz übrigens abgebildet wurde.) Ich kann mir nicht vorstellen, wie man sprechen soll, wenn man nicht atmet. Auch die Leichtigkeit mit der die Menschen in die Systeme und Bereiche der AGEDEN eindringen können und sich sogar in der Waffenkammer bedienen können, wirkt von Anfang an konstruiert. Wenn der Autor das nicht so spannend geschrieben hätte, wäre ich versucht gewesen, diese Passagen zu Überblättern. Der unsichtbare Helfer von Außen macht es nicht plausibler, sondern verwirrt eher, weil man sich fragt, wer dahintersteckt. (Etwa der Fürsorger?)
Außerdem: Was sollte eigentlich mit dieser Infiltration der AGEDEN durch die Free Earth bezweckt werden? Das kam bei mir irgendwie nicht an.
Spannung ist das einzige, dass den Roman zusammenhält. Denn auch die zweite Handlungsebene auf New Earth strotzt von Zufällen, Unwahrscheinlichkeiten und logischen Fehlern. Dazu stimmt stellenweise das Timing nicht. Die AGEDEN braucht zu lange bis sie im System ankommt und noch länger, bis sie endlich ihren Angriff auf New Earth startet. Somit haben die Terraner Zeit, die Kolonie zu evakuieren. Auch die beiden Naat-Kreuzer können sich stundenlang gegen das Flaggschiff von Chetzkel wehren und somit den Terranern Zeit verschaffen. Und wenn diese dann ins All starten, liegt zufälligerweise ein Minenfeld zwischen den Angreifern und den Flüchtigen. Die herbeigerufene Verstärkung in Form der ENDRIR ist dagegen so schnell zur Stelle, dass man sich verwundert die Augen reibt und sich fragt, warum sie nicht schon früher gerufen wurde.
Das ist das Problem, wenn man einen übermächtigen Gegner kreiert und sich dann fürchtet, die Konsequenzen zu tragen. Man benötigt Zufälle und »Deus Ex Machina«-Lösungen, um die Protagonisten aus dem Konflikt zu befreien. Ein Mann wie Chetzkel hätte in Wahrheit nicht gezögert und mit voller Brutalität agiert. So wie der Autor es am Ende auch andeutet, als der Reekha die AGEDEN wie ein Komet durch die Atmosphäre pflügen lässt. Der Abwurf der Arkonbombe war in dem Falle sogar unnötig. Er und seine Schiffe hätten Hope auch dem Erdboden gleich machen können, wenn sie nur die Gletscher zum Schmelzen gebracht hätten. Manchmal mag es für die Geschichte richtiger sein, schlimme Dinge passieren zu lassen. Einfach nur um glaubwürdig zu bleiben. Wer davor zurückschreckt, sollte sich vielleicht keinen so überlegenen Gegner schaffen.
Rainer Schorm rettet den unglücklichen Plot durch seinen spannenden, actionlastigen Schreibstil. Damit hat er mich bis zum Schluss bei der Stange gehalten, auch wenn ich mit der Inkonsequenz der Handlung, alles andere als zufrieden bin.