Da ich gerade im Punk-Modus bin … ja, ja die Lektüre diverser Fanzines hinterlässt Spuren … stelle ich mal wieder einen Auszug aus meinem Geheimprojekt hier herein. Dem Roman möchte ich in den nächsten Monaten meine volle Aufmerksamkeit schenken … Habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
…
»Jens!«, flötet eine Frauenstimme aus dem Pausenzimmer.
Ich bleibe stehen und stecke den Kopf zur Tür hinein.
An dem Vierertisch in der Mitte des kleinen Raumes sitzt Erna, vor sich eine Tasse Kaffee und einen Teller mit selbstgebackenem Kuchen. Vorm offenen Fenster steht Frau Schäfer und raucht. Sie winkt mich herein. »Komm rein mein Kleiner! Du hast dir einen Kaffee verdient.« Sie legt die halb aufgerauchte Zigarette in einen weißen Porzellan-Aschenbecher, nimmt eine Tasse aus dem Küchenschrank links neben der Tür und schenkt mir den letzten Kaffee aus der Glaskanne der Kaffeemaschine ein.
»Hier iss ein Stück Kuchen! Du bist ja ganz abgemagert.« Erna hält mir den Kuchenteller hin.
Ich greife mir ein Stück Mohnkuchen, während mir Frau Schäfer verschwörerisch die Kaffeetasse in die Hand drückt.
»Wir werden dich schon aufpäppeln, nicht wahr Erna!« Die Chefin der Litho verzieht die rot geschminkten Lippen zu einem Lachen. Die Frau um die Fünfzig wirkt jung, was nicht zuletzt an ihrem tiefschwarzen Haar und den ebenso schwarzen Augenbrauen liegt. Ihre dunklen Augen glänzen wie Kohle im gebräunten Gesicht.
»S’nächst Mal ziehst aber a anständige Huas an, Jung.« Erna zupft an meiner schwarzen Jeans, die am Oberschenkel einige aufgerissene Stellen hat. »Bring mer de Huas einfach vorbei, ich näh dir en Flicken druff«, schlägt sie vor und streicht dabei über meinen Oberschenkel. Das sie Mundart spricht, scheint sie nicht wahrzunehmen.
»Das trägt man aber heute so«, versuche ich ihr zu erklären.
»Erna, das verstehst du nicht. Der Junge braucht Luft da unten«, sagt Frau Schäfer zweideutig.
Die Empfangschefin sieht empört zu ihr auf, während ihre Hand weiterhin auf meinem Oberschenkel verharrt. »Aber, Renate!«
Renate Schäfer saugt lasziv an ihrer Zigarette und richtet sich schmunzelnd an mich. »Hat dich der Chef wieder ungespitzt in den Boden gerammt, was?«
Ich zucke mit den Schultern. »Letzte Chance!«
»Manchmal ist er ein richtiges Ekelpaket.«
»Renate!«, ermahnt Erna wiederholt.
»Der ist doch nur neidisch, auf unseren Kleinen, weil er so gut und knackig aussieht.« Dabei lächelt sie mich verführerisch an.
Ich werde rot. Scheiße, das hat mir noch gefehlt; zwei alte Schachteln, die scharf auf mich sind.
»Herr Steinhövel?«, fragt plötzlich ein Stimmchen hinter mir.
Ich drehe mich langsam um, froh darüber dem peinlichen Moment zu entkommen.
Erna zupft mir immer noch an der Hose herum, jetzt hat sie die aufgeschlitzte Stelle unterhalb meines Hinterns entdeckt. »Naa! Naa, des geht so nich«, murmelt sie vor sich hin.
Ich wage es nicht, mich zu bewegen.
Vor mir steht die neue Grafikerin, an deren Namen ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann. Erst jetzt erkenne ich, wie klein sie ist. Etwa eins sechzig groß, reicht sie mir gerade bis zur Schulter. Aus großen olivfarbenen Augen im Sommersprossigen Gesicht sieht sie zu mir auf.
»Ja?«, frage ich und versuche meine Stimme nicht ablehnend klingen zu lassen.
»Hier!« Mit der linken Hand streicht sie sich eine Locke des feuerroten Haars aus dem Gesicht, während sie mir mit der Rechten zögernd eine Floppydisk reicht. »Die Datei mit dem Rohlayout! Das können Sie sicher gebrauchen«, erklärt sie und kaut verlegen auf ihrer Unterlippe.
Jetzt bin ich perplex. »Danke!«, sage ich und stopfe mir das Stück Mohnkuchen in den Mund, um die Hand für die Floppydisk freizubekommen.
Sie schlägt die Augen nieder und ich bin froh, dass ich den Kuchen im Mund habe, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll.
»Da siehste mal, Jens! Du hast jede Menge Verehrerinnen in der Agentur«, sagt Frau Schäfer laut.
Die Situation ist mir inzwischen mehr als unangenehm. Ich würge hastig den Kuchen hinunter und spüle mit einem Schluck Kaffee nach. »Der Kuchen ist lecker« ist das Unverfänglichste, was mir im Moment einfällt. Eigentlich will ich hier nur noch raus. Zum Glück hat Erna inzwischen von meiner Hose abgelassen, auch wenn ihr Blick weiterhin prüfend über mein Outfit wandert. Frau Schäfer dagegen flirtet mich hemmungslos an und auch die junge Grafikerin in meinem Rücken scheint offensichtliches Interesse an mir zu haben. Ich glaube zu spüren, wie mich ihre Blicke von hinten durchbohren.
»Ähm, ich glaub, ich muss jetzt …«, sage ich und trinke die Tasse in einem Zug leer, bevor ich sie auf den Tisch stelle.
»Ja, ja. Texte du nur schön, damit du am Montag pünktlich abgeben kannst.« Frau Schäfer drückt ihre Zigarette aus und kommt auf mich zu. Sie gibt mir einen freundschaftlichen Klaps auf den Hintern. »Wir wollen doch alle, dass du weiter für uns arbeitest.«
Ich schlucke und bringe ein gepresstes Lächeln zu Stande. »Also, dann bis Montag!« Ich hebe grüßend die Hand und verlasse fluchtartig den Pausenraum und die Agentur.
Schön was los!