Ich habe es getan … und heute Morgen ein Malbuch für Erwachsene gekauft.
Der Trend ist ja nicht mehr ganz so neu und bisher habe ich dem auch wiederstehen können. Aber bei dem Ansturm, den ich im Discounter miterleben durfte, konnte ich nicht zurückstehen. Manche der durchweg weiblichen Kundschaft packten zehn bis zwanzig Malbücher in den Einkaufswagen. Da staunte ich nicht schlecht. Niemals hätte ich gedacht, dass der Trend, den es seit 2013 bereits in Großbritannien und der USA gibt, auch in Deutschland so erfolgreich ist. Und der nicht nur den hiesigen Stiftproduzenten, sondern auch dem Buchmarkt zweistellige Zuwachsraten beschert.
Gibt es tatsächlich auch bei uns Erwachsene, die sich hinsetzen und ein Buch ausmalen? Scheinbar schon, wenn ich sehe, wie umlagert die Auslage mit den Malbüchern war.
Als Kind habe ich es geliebt. Malbücher gab es auch in der DDR, wenn auch nicht in großer Fülle. Auf den organisierten Festen im Ort gab es Malstraßen bei denen ich mir stets ein bedrucktes Blatt Papier holte und stundenlang ausmalte, während sich meine Eltern in Ruhe unterhalten und ein Bier trinken konnten. Doch spätestens als ich größer wurde, war mir ausmalen einfach zu langweilig. Lieber zeichnete ich meine Lieblingsmotive selbst (meistens Pferde, später Porträts meiner Lieblings-Schauspieler und -Sänger).
Wie kommt es, dass sich erwachsene Menschen dafür begeistern können, vorgezeichnete Bilder auszumalen? Entspannung ist eine Antwort, kann aber nicht die einzige sein, denn das gibt es schon seit Jahrzehnten in Form von Mandalas. Sicher ist die Konzentration beim Ausmalen entspannend, aber das ist sie beim Stricken, Häkeln und Perlen auch. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Nichts entspannt mich mehr, als mit etwas Draht und Glasperlen kleine Kunstwerke zu erschaffen oder auch nur die Perlen zu sortieren. Dazu ist keine große Gedankenleistung erforderlich, man ist nur auf sich und die Tätigkeit fokussiert.
Ich sehe bei dem Ausmaltrend noch einen zweiten sehr zeittypischen Grund. Ausmalen erfordert kein großes Können. Man erzielt Erfolge ohne sich anzustrengen. Vieles im Leben wird uns von Technik abgenommen und vereinfacht, Orientierung, Motorik, manchmal sogar Denken. Wir müssen uns bei vielem nicht mehr anstrengen. Die Kreativität bleibt zwar nicht völlig auf der Strecke, aber sie wird zu einer »Kreativität light«. Und am Ende kommt es noch besser. Man kann diese »Erfolge« ganz neumodisch im Internet mit anderen teilen. Unter dem Motto: »Schaut her, was ich Tolles geleistet habe« darf man sich dann in der Bewunderung der anderen sonnen.
Ich gehöre jetzt also auch zu diesen Menschen. Denn ich habe mich dazu verleiten lassen auch so ein Malbuch zu kaufen. Obwohl ich das nicht nötig habe und eigentlich jede Form eingeschränkter Kreaktivität ablehne. Es ist zumindest kein typisches Malbuch, sondern eines, in dem man für die Konturen erst noch Zahlen verbinden muss. Ja, das hört sich noch weniger kreativ an. Es ist ein Selbstversuch. Denn ich möchte unbedingt wissen, ob die Tätigkeit genauso entspannend ist, wie wenn ich mit meinen Buntstiften selbst ein Bild male. So wie die beiden Zeichnungen die einst das Cover der »Starbase 18« zierten.