Von der Mündigkeit des Autors

Viele Dinge habe ich im vergangenen halben Jahr gelernt. Nicht nur wie man möglichst spannende Geschichten plottet und schreibt, sondern auch, wo meine Grenzen sind. Was ich gut kann und was nicht so gut. Woran ich noch arbeiten muss, und was ich in Zukunft ausprobieren sollte. Noch mehr aber, als alle Fertigkeiten die mit dem Schreiben zu tun haben, konnte ich jene Eigenschaften erproben, die mir schon immer schwergefallen sind.

Dazu gehört Durchhaltevermögen. Davon braucht man als Autor besonders viel, vor allem dann, wenn die Geschichte geschrieben ist und die Überarbeitungen anstehen. Das wird schnell zur Quälerei und man muss sich schon sehr gut selbst motivieren können.

Ein weiterer Punkt ist Leidensfähigkeit. Wenn der perfekte Text in den Augen des Lektors nämlich nicht so perfekt ist, wie man gedacht hatte. Da hilft auch der sachlichste Tonfall bei der Kritik nicht darüber hinweg, dass man frustriert das Handtuch werfen möchte.

Das wichtigste aber ist bei aller Kritik, sich die eigene Meinung zu bewahren. Sich nicht durch den Lektor vereinnahmen zu lassen, sondern auch mal auf dem eigenen Standpunkt beharren. Etwas was ich gerade erlerne. Regeln und Strukturen beim Schreiben sind gut, sie helfen voranzukommen, orientiert zu bleiben und aus einer guten Geschichte eine sehr gute zu machen. Aber, wenn ich einen Text bis ins letzte Wort in ein Gerüst von Regeln quetsche, wenn ich jeden Satz perfektioniere, dann geht meiner Meinung nach etwas wichtiges verloren. Individualität. Ich weiß jetzt, dass ich den erhofften Perfektionismus nie erreichen werde und dass ich das auch nicht muss, weil die klitzekleinen Schwächen und Unzulänglichkeiten das Salz eines Romans sind – das ureigene Unterscheidungsmerkmal sozusagen. Und ja, mein Schreibcoach wird mir jetzt vehement widersprechen. Ich steh trotzdem dazu.

Wie sagte mir mal ein guter Autorenfreund: »Wir Autoren müssen immer das Gefühl haben, der Boss über unseren Text zu sein, auch wenn wir wissen, dass wir vom Lektor ferngesteuert werden. Sonst kommt man sich entmündigt vor.«