Mein Schreibcoach legte mir dieser Tage nahe, ich solle meine Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich bislang durch das Projekt gewonnen habe, aufschreiben.
Und ich dachte mir, wenn ich es schon tue, warum nicht an dieser Stelle.
Die Verunsicherung, die mich nach jedem unserer Gespräche befällt, klingt nur langsam ab. Am Montag war sie besonders groß. Neben den Hauptpunkten: stimmige Szenenbeschreibung, »Show don’t tell« und dem richtigen Adressieren von Dialogen, hatten wir eine Liste mit Stil-Regeln erarbeitet, die ich beim Schreiben beachten sollte. Die Liste war lang und ich entsprechend gehemmt. Denn immer, wenn ich einen Satz formulierte, fiel mir auf, dass er gegen die eine oder andere Regel verstieß. Also änderte ich den Satz, um gleich darauf festzustellen, dass er jetzt gegen eine andere Regel verstieß. Ich änderte ihn wieder und wieder ab, um ihn am Ende ganz zu löschen. Frustriert gab ich auf und überarbeitete stattdessen die Szene, die wir durchgesprochen hatten, anstatt weiter an der Geschichte zu schreiben. Am nächsten Tag versuchte ich es auf die Weise, mit der ich bisher erfolgreich gewesen war. Ich brachte meine Gedanken – ganz altmodisch – mit einem Stift zu Papier und siehe da, es funktionierte. Weil ich den Satz nicht einfach löschen konnte, blieb er erstmal so stehen und ich konzentrierte mich auf den nächsten und den nächsten und den nächsten. Sie waren allesamt nicht ausgefeilt, aber ich konnte auf diese Weise zirka zwölf Normseiten in zwei Stunden erarbeiten. Anschließend jagte ich den Text durch die Diktier-App und glättete dabei die ersten Unebenheiten. In der Textverarbeitungssoftware arbeitete ich den Text weiter aus.
Weil auf der Liste auch das Überprüfen von Dopplungen, das Ausmerzen des Passivs und die Reduzierung von Adjektiven stand, hatte ich eine Idee. Ich wusste, dass es mit »Papyrus Autor« eine Software gibt, die mir all diese Dinge automatisch anzeigen konnte. Ich lud mir die Demoversion auf den Rechner und was soll ich sagen …
Der Text war ein Meer aus grünen Vierecken, blau unterstrichenen oder rosa durchgestrichenen Wörtern. Ich lernte das Wort »Verbfaulheit« und wurde wieder mit der »Als-Seuche« konfrontiert. Das Programm bietet jede Menge Unterstützung. Der Synonym-Wortschatz ist riesig und die zusätzlichen Erklärungen zu den einzelnen Problemen aufschlussreich. Jedes Füllwort wird gnadenlos gestrichen und wenn man die Passage liest, stellt man fest, dass das Wort tatsächlich überflüssig ist. Das Passiv lässt sich leicht durch die Verwendung eines Verbs oder Artikels zum Aktiv machen und Adverbien und Adjektive lassen sich durch bessere Formulierungen ersetzen. Bei der Arbeit erzieht die Software den Nutzer zu strikteren Formulierungen, da sie knallhart jeden Versuch bestraft, einen Stil-Fehler gegen einen anderen auszutauschen. Man gewöhnt sich recht schnell daran, Füllwörter und Dopplungen zu vermeiden und darauf zu achten, möglichst im Aktiv zu schreiben. Das ist am Anfang unheimlich anstrengend und man braucht für einen Seite eine Ewigkeit, aber je öfter man damit arbeitet, desto schneller kommt man voran.
Was genau hat sich dadurch in meiner Arbeit verändert? Ich achte beim Schreiben darauf, wie ich einen Satz formulieren muss, um den Stil-Regeln zu entsprechen. Bei den folgenden Texten war der Wald an bunten Vierecken und Strichen längst nicht mehr so groß und der Text las sich flüssiger.
Was mir das Programm aber nicht abnehmen kann und was mir nach wie vor große Probleme bereitet, ist das Füllen der »Weißräume«. Wie beschreibe ich eine Szenerie in wenigen Worten? Wie erzeuge ich im Leser ein Bild vom Ort der Handlung? Und wie lasse ich meine Figur agieren, um ihre Gefühle auszudrücken? Das sind die richtig schweren Aufgaben, mit denen ich mich in den nächsten Tagen auseinandersetzen werde.