Vor ein paar Tagen erzählte ich euphorisch von Georges Simenon. Meine Euphorie ist bis heute ungebrochen. Gestern beendete ich eine weitere Geschichte des genialen belgischen Schriftstellers.
Sowohl „Bellas Tod“ als auch „Sonntag“ handeln von Mord. Die eine von einem bereits Geschehenen und die andere von dessen Planung. Beide Geschichten sind in einem Taschenbuch zusammengefasst und alle zwei vereint die geschickte Erzählweise mit der Simenon den Leser ans Finale heranführt. In beiden Erzählungen steht ein Mann im Mittelpunkt der Handlung. In „Bellas Tod“ ist es ein Lehrer, in dessen Haus eine junge Frau ermordet wird und der mangels Alibi alsbald unter Tatverdacht steht. Sogar seine Frau beginnt, ihm zu misstrauen. Das geht soweit, dass er am Ende selbst an sich zweifelt und sein wahres Ich, dass er Jahrzehnte verborgen gehalten hat, plötzlich herausbricht.
„Sonntag“ erzählt dagegen das Leben eines Kochs, der vor ewigen Zeiten in eine Ehe eingewilligt hat, die ihn mehr und mehr zermürbt. Er versucht sich von den Fesseln seines tristen Daseins (in Form seiner Frau) zu befreien.
Während sich eine der Geschichten an der amerikanischen Ostküste abspielt, ist der Schauplatz von „Sonntag“ die Côte d’Azur. Der Autor beschreibt nicht nur die Szenerie so perfekt, dass man sich innerhalb eines Satzes sofort hineinversetzt fühlt. Nein, er weiß auch das Innenleben seiner Figur aufs Intimste zu beschreiben. Dabei wechselt er von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück, ohne das dies verwirrend oder störend wirkt. Besonders bei der Erzählung über den geplanten Mord, hat man von Anfang an Mitleid mit dem armen Mann und fiebert dem Ereignis genauso aufgeregt entgegen, wie der Protagonist selbst.
Was Simenons Geschichten besonders macht, ist ihr überraschende Ende. Er führt den Leser lange auf einer falschen Fährte, um ihm zuletzt vor vollendete Tatsachen zu stellen. So war ich bei beiden Geschichten am Ende völlig verblüfft. Damit hätte ich im Leben nicht gerechnet.
Der Autor ist ein Könner und ich kann inzwischen erahnen, warum er von vielen Autorenkollegen so geschätzt wird.
Noch ein Hinweis zu meiner Taschenbuchausgabe von 1987, die ist nämlich aus der DDR, vom Aufbau-Verlag. Witzig finde ich ja die Bemerkung: Ausgabe für die sozialistischen Länder mit Genehmigung des Diogenes Verlag AG, Zürich. Spannende Frage: Ob und wie sich wohl diese Ausgabe von der Original-Ausgabe unterscheidet?