Man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist oder wenn man am Gipfel des Erfolgs angelangt ist …
Vielleicht hätte Rita Mae Brown, die Autorin der beliebten Mrs. Murphy Krimireihe, das beherzigen sollen. Ich habe ihre Bücher immer mit großer Begeisterung verschlungen. Die Geschichten aus der beschaulichen Kleinstadt Crozet in Virginia wurden von ihr so wunderbar geschrieben, dass man die Bewohner und ihre Vierbeiner einfach ins Herz schließen musste. Die Mrs. Murphy Bücher boten immer spannende Mordfälle, die zumeist von der sympathischen Harry und ihren Tieren, der Katze „Mrs. Murphy“ und dem Corgi „Tucker“, aufgeklärt wurden. Später kamen noch „Pewter“ die verfressene Katze eines Ladenbesitzers dazu und natürlich all die Pferde und anderen Tiere auf Harrys Farm. Diese Geschichten machten sogar mir Spaß, obwohl ich alles anderes als ein Krimifan bin. Rita Mae Brown verlieh ihren Charakteren immer eine emotionale Tiefe, die mich als Leser ansprach und von der ich mich mitreisen ließ. Doch irgendwann war aus den Krimis die Luft raus, zuletzt versuchte die Autorin pro Roman ein Thema abzuhandeln (Weinanbau, Pferdezucht etc.), dass war zwar ganz interessant, aber die Geschichten verloren dadurch ihren Reiz.
In dieser Woche nahm ich „Die Geburtstagskatze“ aus dem Bücherregal und las das Buch auf dem Weg zur Arbeit. Nun ja, ich versuchte es zumindest. Denn das, was sich mir bot, war alles andere, als das, was ich von der Autorin gewohnt war. Es scheint fast, als versuche sich ein Fan an einer Mrs. Murphy Geschichte. Belehrende Kommentare zu allerlei politischen und gesellschaftlichen Problemen der Vereinigten Staaten, wechselten sich ab mit Beobachtungen übers Wetter. In den Dialogen geht es entweder um Pferdezucht oder Finanzen. Über allem schwebt der Gedanke, wie schlecht es doch allen geht und wie schön es früher war. Die Tiere dienen nur noch als Stichwortgeber. Kurz um, ich war entsetzt. Noch nie hatte ich einen schlechteren Roman gelesen. Dank des Schreibseminars, dass ich im letzten Jahr besucht habe, weiß ich inzwischen auch, warum er nicht funktioniert. Der Text ist ausschließlich in Autorenperspektive geschrieben. Ich weiß nicht, ob das bei den früheren Romanen auch so war, aber hier fiel mir das zum ersten Mal richtig ins Auge. Exposition, also die Einführung des Lesers in den Roman, in dieser Art und Weise zu vermitteln ist zwar langweilig, wäre aber zu verschmerzen, wenn es nicht im gleichen Stil weiterginge. Die Handlung gleicht einem losen Faden, begleitet von gesellschaftskritischen Bemerkungen. Die zu vielen neuen Figuren bleiben blass und selbst die altbekannten Helden wie Harry, Fair, Big Mim oder Tante Tally werden nicht weiterentwickelt. Die Szenerie in welche die Handlung gebettet ist, wird kaum beschrieben; wenn ich nicht noch die verbliebenen Erinnerungen an die grandiosen ersten Romane hätte, könnte ich mir nicht vorstellen, wie es in Crozet aussieht. Außerdem kommen Aussagen hinzu, die wahrscheinlich witzig sein sollen, aber völlig daneben gehen, anders kann ich mir folgenden Satz nicht erklären: „Der Spaziergang war an einem angenehmen Tag angenehm und an einem unangenehmen Tag nicht unangenehm.“ Häh?
Ich habe den Roman bis zur Hälfte und dann nur noch quer gelesen, bevor ich ihn auf den Stapel für meine Booklooker-Verkäufe gelegt habe. Wobei ich dabei ein schlechtes Gewissen habe. Denn ich bin mir nicht sicher, ob man diesen Roman wirklich jemandem anbieten sollte.
Liebe Mrs. Brown! Ich bin maßlos enttäuscht. Das hatte ich nicht von Ihnen erwartet. Hatten Sie vielleicht einen Ghostwriter engagiert, der für Sie das Buch geschrieben hat? Anders kann ich mir die mangelnde Qualität nicht erklären. Der Roman liest sich, als hätten Sie keine Lust mehr auf die Katzenkrimis um Mrs. Murphy. Nun, dann hätten Sie die Reihe vielleicht frühzeitig beenden und sich etwas Neuem widmen sollen. Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser, als ein Schrecken ohne Ende.